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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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eingeschaltet und erfüllte den Raum
mit einem kalten Glühen.
    Die abgehängte Decke war in Kunststoffsplitter zerbrochen,
die auf die fliehenden Kongressteilnehmer herabregneten. Joan sah,
dass Alison Scott ihre beiden Mädchen packte und sich mit ihnen
in eine Ecke verkroch. Der freigelegte Dachstuhl mit den isolierten
Rohren und Kabeln glich einer dunklen, schmutzigen Höhle.
    Dünne Nylonseile schlängelten sich durch die mit
Kunststoffpartikeln geschwängerte Luft. Ihr Blick fiel auf
schwarz gekleidete Gestalten, die sich wie Spinnen durch den Dachraum
bewegten und sich auf den mit Splittern übersäten Boden der
Bar abseilten. Sie trugen hautenge schwarze Overalls und Kapuzen mit
silbrigen Augenbinden. Sie zählte fünf, sechs, sieben von
ihnen. Sie vermochte aber nicht zu sagen, ob es sich bei ihnen um
Männer oder Frauen handelte. Sie alle trugen kompakte
automatische Waffen.
    Alyce Sigurdardottir wollte sie am Arm vom Tisch herunterziehen.
Aber sie sträubte sich, denn sie wusste, dass sie noch immer im
Mittelpunkt stand; sie hatte das – vielleicht irrationale –
Gefühl, dass die Lage sich noch verschlechtern würde, wenn
sie sich ins Chaos hineinziehen ließe.
    Einer der Eindringlinge führte das Kommando. Unten
angekommen, versammelten die anderen sich um ihn, während er die
Lage sondierte. Ein Er oder eine Sie? Nein, ein Er, sagte Joan
sich; bei einer solchen Gruppe wird es sich um einen Mann handeln.
Zwei der Eindringlinge blieben beim Anführer. Die anderen vier
liefen zu den Türen. Sie hielten sich mit dem Rücken zur
Wand und richteten ihre Waffen auf die Delegierten, die sich wie
Schafe in der Mitte des Raums zusammendrängten.
    Es gab hier nur einen Angehörigen des Hotelpersonals: den
Barkeeper, den jungen Australier, an dem Alyce Gefallen gefunden
hatte. Er war schlank und hatte lockiges schwarzes Haar – er
stammte sicher von einem Eingeborenen ab, sagte Joan sich – und
trug eine Fliege und eine Satinweste. Nun bewies er großen Mut
und trat mit ausgebreiteten Händen vor. »Hören
Sie«, sagte er. »Ich weiß nicht, was Sie hier wollen.
Aber wenn ich Ihnen ein…«
    Das Geräusch der Waffe war gedämpft und klang irgendwie
so, als ob ein Leopard hustete. Der Junge krümmte sich und ging
zu Boden. Plötzlich stank es nach im Todeskampf abgesondertem
Kot, ein Geruch, den sie seit Afrika nicht mehr wahrgenommen hatte.
Die Delegierten schrien, wichen zurück oder erstarrten; jeder
versuchte auf seine Weise, die Aufmerksamkeit der Mörder von
sich abzulenken.
    Derweil durchliefen die intelligenten Wände ungerührt
ihre Zyklen und zeigten bedeutungslose Bilder des Vulkans auf Neu
Guinea, die Robot-Fabriken auf dem Mars, Werbespots für Bier und
Medikamente und technische Gimmicks.
    Wie Joan erwartet hatte, kam der Anführer, nachdem er den
exemplarischen Mord begangen hatte, auf sie zu. Die Waffe hatte er
wieder eingesteckt; wahrscheinlich war sie immer noch heiß.
Sein Visier war in die Kapuze eingenäht. Die Montur war farblich
aufeinander abgestimmt, beinahe schick.
    »Haben Sie etwa Angst, Ihr Gesicht zu zeigen?«, fragte
sie schroff, bevor er etwas zu sagen vermochte.
    Er lachte und streifte die Kapuze ab. Ja, sie hatte Recht gehabt
– es war ein Er. Sein Kopf war kahl geschoren. Er hatte
weiße Haut und braune Augen. Er war vielleicht
fünfundzwanzig, sicher nicht viel älter als der Barkeeper,
den er eben getötet hatte. Er musterte sie und nahm nach ihrer
unausgesprochenen Hausforderung bei ihr Maß.
    Seine Leute zogen nun auch die Kapuzen herunter. Sie alle hatten
sich ostentativ den Kopf kahl geschoren. Es waren vier Männer,
einschließlich des Anführers, und drei Frauen.
    »Sind Sie Pickersgill?«, fragte Joan.
    Der Anführer lachte. »Pickersgill existiert gar nicht.
Der globale Polizeistaat jagt eine Schimäre. Pickersgill ist ein
ebenso witziges wie nützliches Phantom.« Er hatte den
Akzent des amerikanischen mittleren Westens, jedoch mit einem leicht
exotischen Einschlag; das amerikanische Englisch hatte inzwischen
eine weltweite Dominanz erlangt, sodass dieser Mann von überall
hätte stammen können.
    »Wer sind Sie dann?«
    »Ich bin Elisha.«
    »Elisha, sagen Sie mir, was Sie wollen«, sagte Joan
vorsichtig.
    »Sie bestimmen die Agenda jetzt nicht mehr«, sagte er.
»Ich will Ihnen aber sagen, was wir getan haben. Doktor
Joan Useb, wir haben die Krankheit freigesetzt.«
    Joan bekam eine Gänsehaut.
    »Sie sind alle infiziert. Wir sind infiziert. Ohne
Behandlung werden

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