Evolution
Dunkelheit fiel.
Tausend Jahre. Und doch bedeutete es auch nicht mehr als
die Kluft von fünfzig Jahren, die ihn, wie er gedacht hatte, von
seiner Frau trennte. Vielleicht sogar noch weniger, denn es war
einfach unvorstellbar.
»Das ist vielleicht eine schöne Zukunft«, sagte
Bonner mürrisch. »Keine Autos mit Düsenantrieb. Keine
Sternen-Schiffe, keine Städte auf dem Mond. Nur diesen
Scheiß.«
»Wir müssen davon ausgehen«, sagte Ahmed,
»dass wir hier niemanden mehr finden werden. Dass wir allein
sind. Auf dieser Grundlage müssen wir planen.«
»Die Zivilisation ist zusammengebrochen, alle sind tot, und
wir sind tausend Jahre in der Zukunft gestrandet«, sagte
Sidewise schnaubend. »Wozu brauchen wir da noch einen Plan 7 .«
»Der Fluss ist wahrscheinlich sauber«, sagte Snowy.
»Die Fabriken müssen schon vor Jahrhunderten den Betrieb
eingestellt haben.«
Ahmed nickte ihm dankbar zu. »Gut. Wenigstens haben wir eine
Lebensgrundlage. Wir können fischen, und wir können jagen;
wir werden gleich morgen damit anfangen. Sidewise, wieso benutzt du
deinen Kopf nicht einmal für etwas Nützliches und machst
dir Gedanken übers Fischen? Ich erwarte Vorschläge, wie wir
Angelleinen, Netze und weiß der Geier was improvisieren. Snowy,
du hast den gleichen Auftrag für die Jagd. Und dann werden wir
uns einen Ort zum Leben suchen müssen. Vielleicht einen
Bauernhof. Macht euch Gedanken darüber, wie wir den Boden roden
und Weizen aussäen.« Er schaute zum Himmel hinauf.
»Was glaubt ihr, welche Jahreszeit wir haben? Frühsommer?
Um dieses Jahr noch eine Ernte einzufahren, sind wir zu spät
dran. Aber im nächsten Frühling…«
»Wo willst du denn hier noch Weizen finden?«, fragte
Sidewise schroff. »Weißt du, was passiert, wenn man ein
Kornfeld sich selbst überlässt? Die Ähren fallen ab
und verrotten. Kultivierter Weizen hatte uns gebraucht, um zu
überleben. Und wenn man Kühe ein paar Tage lang nicht
melkt, dann gehen sie ein, weil die Euter platzen…«
»Ganz ruhig«, sagte Snowy.
»Ich will damit nur sagen, dass ihr, wenn ihr eine Farm
bewirtschaften wollt, ganz von vorn anfangen müsst. Ihr
müsst euch um den ganzen verdammten Kram kümmern, den ein
landwirtschaftlicher Betrieb so mit sich bringt.«
Ahmed nickte. »Wir, Side. Nicht ihr. Wir. Wir sitzen
nämlich alle im selben Boot. In Ordnung. Wir wissen nun, was wir
zu tun haben. Und in der Zwischenzeit betätigten wir uns als
Jäger und Sammler. Wir leben vom Land, wie es unsere Vorfahren
getan haben.«
Moon befingerte ihre Kleidung. »Die Klamotten werden aber
auch nicht ewig halten. Wir werden neue Kleidung anfertigen
müssen. Und die Waffen werden uns auch nicht mehr viel
nützen, wenn die Munition verbraucht ist.«
»Vielleicht können wir Munition nachfertigen«,
sagte Bonner.
Sidewise lachte. »Da fallen mir jetzt aber nur Steinäxte
ein.«
»Ich weiß gar nicht, wie man eine abgefuckte Steinaxt
anfertigt«, knurrte Bonner.
»Ich auch nicht, wo du es sagst«, sagte Sidewise
nachdenklich. »Und wisst ihr was? Ich wette, dass es auch keine
diesbezüglichen Lehrbücher mehr gibt. Das gesammelte
Wissen, das mühsam zusammengetragen wurde, seit wir nackig als Homo erectus in Afrika umher gerannt sind, ist
futsch.«
»Dann werden wir noch mal von vorn anfangen
müssen«, sagte Ahmed bestimmt.
Bonner musterte ihn. »Und wieso?«
Ahmed schaute zum Himmel empor. »Wir schulden es unseren
Kindern.«
»Vier Adams und eine Eva«, sagte Sidewise.
Es trat ein längeres Schweigen ein. Moon stand da wie eine
Statue. Sie hatte einen harten Blick. Snowy fiel auf, dass ihre Hand
über der PPK schwebte.
Ahmed stand auf. »In die Zukunft können wir aber immer
noch schauen. Nun geht es erstmal darum, dass wir etwas in den Bauch
bekommen.« Er klatschte in die Hände. »Packen
wir’s an!«
Sie zerstreuten sich. Die Mondsichel ging schon auf. Sie hing wie
ein Knochensplitter am blauen Himmel.
»Na«, sagte Sidewise zu Snowy, als sie aufbrachen,
»wie findest du denn das Leben der Zukunft?«
»Wie im Urlaub«, sagte Snowy bitter. »Als ob ich
Urlaub machen würde.«
III
Etwa fünf Kilometer vom Basislager entfernt versuchte Snowy
ein Feuer zu machen.
Er war in einem Gelände, das einmal ein Feld gewesen sein
musste. Es waren noch immer Überreste einer mürben
Steinmauer zu sehen, die ein breites Rechteck eingrenzte. Doch nach
tausend Jahren fügte das Feld sich wieder fast nahtlos in die
Landschaft ein und wurde von ganzjährigen
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