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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kräutern,
Gräsern, Sträuchern und Laubbaum-Schösslingen
überwuchert.
    Er hatte ein Holzbrett von der Länge seines Unterarms
angefertigt und ein Loch in die flache Seite gebohrt. Er hatte ein
Rundholz, einen Stock mit einem angespitzten Ende; einen Schlagstein,
der genau in die Hand passte und einen Bogen, den er aus einem Ast
und einem Schnürsenkel angefertigt hatte. Ein Stück Rinde
unter der Kerbe sollte die Glut auffangen, die er entfachen wollte.
In der Nähe hatte er ein kleines Nest aus trockener Rinde,
Blättern und Gras gebaut, das als Nahrung für die Flammen
dienen sollte. Er kniete sich aufs rechte Knie und stellte den linken
Fuß aufs Holzbrett. Dann spannte er die Sehne und setzte das
Rundholz ein. Er schmierte das Loch mit etwas Ohrenschmalz und setzte
das stumpfe Ende des Rundholzes in die Vertiefung des Holzbretts; das
spitze Ende steckte er ins steinerne Widerlager. Dann drückte er
leicht auf den Stein und schob zugleich den Bogen hin und her, sodass
sich das Rundholz mit zunehmendem Druck und Geschwindigkeit drehte.
Er warte darauf, dass Rauch aufstieg und ein Feuer in Gang gesetzt
wurde.
    Snowy wusste, dass er älter aussah, als er war. Er trug das
Haar nun lang und hatte es mit einem Stück Draht zu einem
Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihm wuchs auch ein Bart, obwohl er
ihn alle paar Tage mit einem Messer stutzte. Seine Haut war zäh
wie Leder, und er hatte Falten um Augen und Mund. Ich bin
schließlich auch älter geworden, sagte er sich. Ganze
tausend Jahre älter. Dann sollte ich auch so aussehen.
    Es war kaum zu glauben, dass sie erst vor einem Monat aus der Grube gestiegen waren.
    Sie hätten aber noch nicht auf diese primitive Art und Weise
Feuer machen müssen. Sie hatten immer noch genug wasserdichte
Streichholzschachteln und einen Vorrat von Trioxan-Päckchen,
einer leichten chemischen Wärmequelle, die vorzugsweise vom
Militär genutzt wurde. Doch Snowy dachte schon an den Tag, wenn
die Ausrüstung, die sie aus der Grube mitgenommen hatten,
verschlissen und verbraucht war. Er ›schummelte‹ aber. Er
hatte nämlich sein tausend Jahre altes Schweizer Messer benutzt,
um den Bogen und das Holzbrett anzufertigen; später würde
er es mit einem Steinmesser versuchen müssen. Doch alles zu
seiner Zeit.
    Dieses alte Feld befand sich in der Nähe eines
Ausläufers des großen Eichenwaldes, der, so weit sie sie
erkundet hatten, die Landschaft dieses nach-menschlichen Englands
dominierte – vorausgesetzt, dass es überhaupt England war.
Es zog sich über eine leichte Anhöhe hinweg. Im Westen,
etwas tiefer gelegen, hatte sich ein See gebildet. Snowy sah
Überreste von Mauern, die unter der Wasseroberfläche
verschwanden. Der See war mit Schilf, Seerosen und Unkraut
überwuchert, und auf der Oberfläche sah er den schleimigen
graugrünen Schimmer von Algen. Eutrophie, sagte Sidewise sich:
Noch immer sickerten künstliche Nährstoffe, vor allem
Phosphor, aus dem Boden in den See, und überstimulierten die
Ökologie. Snowy vermochte kaum zu glauben, dass die Gülle,
die die längst toten Bauern in ihr Land gepumpt hatten, noch
immer die Umwelt verseuchte, aber es schien wohl so zu sein.
    Die Landschaft mutete verwunschen an. Stille umfing ihn. Er
hörte nicht einmal Vogelstimmen.
    Manche Tiere – Hasen, Kaninchen und Moorhühner –
hatten das Land schnell zurückerobert, nachdem die Menschen die
Jagd, Ungeziefervertilgung und Land- und Forstwirtschaft eingestellt
hatten. Größere Säugetiere vermehrten sich aber so
langsam, dass die Erholung länger gedauert haben musste. Es
schien jedoch verschiedene Arten von Damwild zu geben, und Snowy
hatte sogar Schweine in den Wäldern gesichtet. Große
Räuber hatten sie indes nicht gesehen. Selbst Füchse
schienen selten zu sein. Es gab auch keine Raubvögel mehr,
außer ein paar angriffslustig wirkende Stare. Sidewise sagte,
dass nach dem Zusammenbruch ihrer Nahrungskette die spezialisierten
Räuber ausgestorben seien. In Afrika gab es wahrscheinlich keine
Raubkatzen und Affen mehr, sagte er, selbst wenn sie sich durch
Flucht dem Verzehr durch die letzten verbliebenen, verhungernden
Menschen entzogen hatten.
    Vielleicht, sagte Snowy sich. Aber er machte sich auch Gedanken
wegen der Ratten.
    Das Gleichgewicht würde sich langfristig wieder einstellen.
Variationen, Adaption und natürliche Auslese würden schon
dafür sorgen; die alten Nischen würden von der einen oder
anderen Art wieder besiedelt werden. Aber die neue Gemeinschaft
hätte dann

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