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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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vielleicht nichts mit der alten gemein. Und weil die
Säugetierarten im Durchschnitt nur für ein paar Millionen
Jahre existiert hatten, sagte Sidewise, würde es auch wieder
Millionen Jahre dauern – zehn, vielleicht zwanzig, zwanzig
Millionen Jahre –, bevor die Welt wieder in alter
Herrlichkeit erblüht war. Selbst wenn die Menschen eine
Renaissance erlebten und zum Beispiel für fünf Millionen
Jahre überdauerten, würden sie trotzdem keine Welt mehr
sehen, wie Snowy sie als Kind gekannt hatte.
    Snowy war nicht sehr naturverbunden. Dennoch war diese Vorstellung
zutiefst beunruhigend. Die Situation, in der er sich befand, mutete
ihn absolut irreal an.
    Es stieg noch kein Rauch auf – das verdammte Feuer war noch
immer nicht in Gang gekommen. Er schob den Bogen weiter hin und
her.
    Das größte Problem beim Feuermachen bestand darin, dass
er zu viel Zeit zum Nachdenken hatte. Er vermisste seine Freunde, die
Kameradschaft bei der Truppe. Er vermisste seine Arbeit und sogar die
Routinetätigkeiten – die Routine vielleicht sogar am
meisten, weil sie seinem Leben eine Struktur gegeben hatte, die nun
fehlte.
    Er wurde sich bewusst, dass er die Geräusche vermisste, obwohl dieser Verlust sich eher unterschwellig
bemerkbar machte: Es fehlten Fernsehen, Radio und so weiter, eben die
ganze Geräuschkulisse der modernen Welt. Wenn in der Neuen Welt
etwas ihn in den Wahnsinn treiben würde, dann wäre es wohl
die Stille, sagte er sich, die bedrückende, unmenschliche
Stille einer stummen Welt. Er schauderte bei der Vorstellung, wie es
in den letzten Tagen gewesen sein musste, als die Maschinen
ausfielen, die Leuchtreklamen, die Neonröhren und Bildschirme
flackerten und schließlich erloschen.
    Und er vermisste Clara. Natürlich vermisste er sie. Er hatte
sein Kind nie kennen gelernt und seinen Sohn oder seine Tochter nie
gesehen.
    Anfangs war er von Schuldgefühlen geplagt worden: Er
fühlte sich schuldig, weil er noch lebte, wo so viele im
Jenseits verschwunden waren, fühlte sich schuldig, weil er
nichts für Clara zu tun vermochte, fühlte sich schuldig,
weil er aß und trank und seinen menschlichen Verrichtungen
nachging, während alle anderen, die er jemals gekannt hatte, tot waren. Doch diese Befindlichkeit schwächte sich bald
gnädigerweise ab. Er war immer schon mit einem Mangel an
Phantasie gesegnet gewesen, wie Sidewise einmal konstatiert
hatte.
    Oder vielleicht war es auch mehr als das.
    Im klaren Licht dieser neuen Zeit schien es nämlich, als ob
sein altes Leben im überfüllten, muffigen England des
einundzwanzigsten Jahrhunderts nunmehr ein Traum war. Als ob er mit
dem Grün verschmölze…
    Plötzlich hörte er ein Rascheln im hüfthohen
Gestrüpp, vielleicht ein Dutzend Schritte entfernt. Er drehte
sich in diese Richtung und spähte und lauschte. Ein einziger,
mit Samen behafteter Grashalm wiegte sich träge. Er hatte dort
drüben eine Schlinge ausgelegt. Schlich da etwas durchs
Unterholz, eine rundliche Schulter, ein helles, stechendes Auge?
    Er legte den Bogen und das Rundholz weg, stand auf, streckte sich
und ging scheinbar ziellos auf die Stelle zu, wo er den Schemen
gesehen hatte. Er nahm den Bogen vom Rücken, zog einen Pfeil aus
dem Kaninchenfell-Köcher und legte ihn sorgfältig auf die
Sehne.
    Da rührte sich nichts im Gestrüpp – doch als er es
fast schon erreicht hatte, stob plötzlich ein Schemen auf und
floh vor ihm. Ganz kurz sah er einen fahlen Leib mit braunen, langen
Gliedmaßen. Ein Fuchs? Aber es war groß, größer als alles, was er bisher gesehen hatte. Dann
sah er das Wesen zu Boden stürzen.
    Ohne zu zögern rannte er darauf zu, stellte ihm den Stiefel
auf den Rücken und zielte mit dem Bogen auf seinen Kopf. Das
Tier rollte sich herum. Es schrie wie eine Katze und schlug die
Hände vors Gesicht.
    … Er senkte den Bogen. Hände. Es hatte Hände
wie ein Mensch oder wie ein Affe.
    Das Herz schlug ihm bis zum Hals, und er ließ den Bogen
fallen. Er kniete sich über das Tier, klemmte den Körper
zwischen den Beinen ein und packte es an den Handgelenken. Es war
dünn und geschmeidig, aber auch sehr kräftig: Er musste
seine ganze Kraft aufbieten, um ihm die Hände vom Gesicht
wegzuziehen. Das Tier spie und zischte ihn an.
    Aber sein Gesicht – nein, ihr Gesicht – war nicht
das eines Menschenaffen oder Affen. Es war ganz eindeutig ein
menschliches Gesicht.
     
    Für eine Weile saß Snowy verblüfft auf dem
Mädchen.
    Es war nackt. Der Körper war mit einem flaumigen Pelz

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