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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Oxy
versetzte Stark mit der Pfote einen Hieb und brach dem jungen
Primaten das Rückgrat. Stark wurde von Schmerz durchflutet,
wandte sich gegen den Angreifer und versuchte ihm die Zähne ins
Fleisch zu schlagen. Im letzten Moment verspürte Stark so etwas
wie Mut. Aber das half ihm nichts mehr.
    Der Oxy spielte noch eine Weile mit dem verkrüppelten
Jungtier. Dann fraß er es auf.
     
    In dem Maß, wie die Welt sich erholte, prägten die sich
verändernden Bedingungen ihre Bewohner.
    Die Säugetiere experimentierten mit neuen Rollen. Die
Vorfahren der heutigen Fleischfresser, zu denen auch Hunde und Katzen
gehören, waren kleine, wieselähnliche Tiere und flinke,
opportunistische Allesfresser. Aber beim Oxyclacnus zeichnete sich
bereits die Spezialisierung der späteren
Säugetier-Räuber ab: senkrechte Beine für hohe
Ausdauer und starke permanente Zähne, die durch doppelte Wurzeln
verankert und mit Höckern verbunden waren, um Fleisch zu
zerkleinern.
    Das alles war Teil eines uralten Musters.
    Alle Lebewesen versuchten am Leben zu bleiben. Sie nahmen Nahrung
zu sich, heilten sich selbst, wuchsen heran und mieden
Räuber.
    Doch kein Organismus lebte für immer. Die einzige
Möglichkeit, dem Tod zu entgehen, war Fortpflanzung. Durch
Fortpflanzung gab man genetische Informationen über sich an
seine Nachkommen weiter.
    Aber kein Nachkomme war mit seinen Eltern identisch. Jede Spezies
enthielt in jedem Moment ein großes Potential der Variation.
Jedoch mussten alle Organismen in einem Rahmen der Habitabilität
existieren, der ihnen von der Umwelt vorgegeben wurde – eine
Umwelt aus Wetter, Terrain und anderen Lebewesen, die sie ihrerseits
prägten. Während mit unerbittlicher Härte ums
Überleben gekämpft wurde, wurde der Umwelt-Rahmen
ausgefüllt: Jede lebensfähige Variation einer Spezies, die
einen Platz zum Überleben zu ergattern vermochte, wurde
ausgeprägt.
    Raum war aber knapp. Und der Wettbewerb um diesen Raum war
unerbittlich und endlos. Es wurden mehr Nachkommen geboren, als zu
überleben vermochten. Der Existenzkampf war gnadenlos. Die
Verlierer wurden durch Hunger, Räuber und Krankheiten
ausgemerzt. Diejenigen, die etwas besser an ihre Nische in der Umwelt
angepasst waren als andere, hatten eine dementsprechend bessere
Chance, den Kampf ums Überleben zu gewinnen – und die
genetischen Informationen über sich an folgende Generationen
weiterzugeben.
    Aber die Umwelt war auch Veränderungen unterworfen, wenn das
Klima sich änderte und Kontinente zusammenstießen. Dann
vermischten die Arten sich über Landbrücken und wurden mit
neuen Nachbarn konfrontiert. In dem Maß, wie die klimatischen
Bedingungen und Lebensumstände sich änderten, änderten
sich auch die Anforderungen an die Anpassung. Das Auswahlprinzip an
sich verlor aber nicht seine Gültigkeit.
    So vollzogen die Populationen der Organismen die
Veränderungen der Welt von Generation zu Generation nach. Alle
Variationen einer Art, die sich in den neuen Rahmen integrierten,
wurden ausgewählt, und alle anderen, die nicht mehr
lebensfähig waren, wurden der Nachwelt als Fossilien erhalten
oder verschwanden spurlos. Unzählige solcher Wendepunkte
markieren die Erdzeitalter. Solang die ›erforderliche‹
Variation noch innerhalb der genetischen Variabilität lag,
änderten die Populationen sich unter Umständen schnell
– genauso schnell, wie menschliche Züchter domestizierter
Tiere und Pflanzen Änderungen vornehmen, um ihre Vorstellungen
von Vollkommenheit in den ihnen unterworfenen Geschöpfen zu
verwirklichen. Wenn die verfügbare Variation jedoch
ausgeschöpft war, blieben die Veränderungen aus. Bis eine
neue Mutation stattfand, die durch ein zufälliges Ereignis
verursacht wurde, vielleicht durch Strahlungseinwirkung, und neue
Möglichkeiten der Variation eröffnete.
    Das war Evolution. Im Grunde war es ganz einfach: ein simples
Prinzip, das auf genauso simplen, offensichtlichen Gesetzen beruhte.
Aber es prägte jede Art, die jemals die Erde bevölkerte
– von der Entstehung des Lebens bis zur endgültigen
Auslöschung, die in ferner Zukunft unter einer aufgeblähten
Sonne stattfinden würde.
    Und es wirkte auch jetzt.
    Es war hart.
    So war das Leben.
     
    Plesi hatte mit dem Oxy eine stillschweigende Vereinbarung
getroffen. Nimm mein Kind. Verschone mich. Auch als sie durch
die grüne Hölle huschte, sich in die Sicherheit der
Bäume flüchtete und nach ihrer überlebenden Tochter
suchte, hallte dieses Stratagem noch in ihrem

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