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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Rinde und schlegelte mit den
Hinterläufen. Und dann stürzte es ab.
    Plesi sah, wie es zuckend hinab fiel. Der weiße Bauch zeigte
nach oben, und Hände und Füße griffen ins Leere.
Stark stieß den piepsenden Schrei eines verängstigten
Babys aus. Dann fiel es auf die Blätter und war im nächsten
Moment verschwunden – verschwunden im Grün des Bodens, das
alle Toten des Waldes verschluckte.
    Plesi klammerte sich zitternd an den Ast. Es war so schnell
passiert. Ein Junges verloren, ein kümmerlicher Schwächling
übrig. Es war kaum zum Aushalten. Sie zischte das bedrohliche
Grün wütend an.
    Und dann kletterte Plesi zum Grün, zum Boden hinunter.
Schwach, die sich ängstlich an den Baumstamm klammerte,
ließ sie zurück.
    Schließlich erreichte sie die untersten Äste und
schaute hinab auf eine Oase aus Licht.
    Dies war eine der wenigen Lichtungen des endlosen Waldes.
Innerhalb der letzten Monate war ein großer, von innen
ausgehöhlter Laubbaum vom Blitz gefällt worden. Als er
umkippte, hatte er eine Schneise ins dichte Blattwerk geschlagen.
Diese Lichtung würde nicht lang Bestand haben. Doch fürs
Erste nutzten die Unterholz-Pflanzen wie diese robusten
Überlebenden, die Bodenfarne, die Gelegenheit zur Verbreitung.
Der Waldboden war hier ungewöhnlich üppig und grün.
Und schon sprossen Schösslinge und starteten ein gnadenloses
›Pflanzen-Rennen‹, bei dem es darum ging, den anderen das
Licht zu nehmen und das Loch im Blätterdach zu
schließen.
    Der Wald war ein seltsam statischer Ort. Die großen
Laubbäume wetteiferten miteinander, so viel Sonnenlicht wie
möglich einzufangen. Im Dämmerlicht der unteren Ebenen war
das Licht zu schwach, um Wachstum zu unterstützen, und der Boden
war mit toter pflanzlicher Materie und den Knochen von Getier und
Vögeln übersät, die das Pech gehabt hatten,
abzustürzen. Unter dem stummen Boden harrten indes Samen und
Sporen aus und warteten Jahrhunderte, notfalls auch Jahrtausende, bis
der Tag kam, da der Zufall eine Bresche ins Blätterdach schlug
und das Rennen ums Leben von neuem begann.
    Plesi rutschte an einer Luftwurzel hinab und erreichte den Boden.
Unter den breiten Wedeln eines Bodenfarns huschte sie unbehaglich
über einen direkt von der Sonne beschienen Abschnitt. Der feste
Boden, der weder nachgab noch schwankte, mutete sie sehr seltsam an
– so ungewohnt wie die Erschütterungen eines Erdbebens auf
einen Menschen gewirkt hätten.
    Es gab noch weitere Tiere auf dieser Lichtung, die von der
Aussicht auf Nahrung angelockt worden waren. Da waren Frösche,
Lurche und sogar ein paar Vögel, die als bunte Schwärme
durch die Luft stoben und nach Insekten und Samen Ausschau
hielten.
    Und es gab Säugetiere.
    Darunter waren Geschöpfe wie Waschbären, die aber enger
mit den behuften Tieren der Zukunft verwandt waren, und flinke
Insektenfresser, deren Nachfahren Mäuse und Igel umfassen
würden. Und da war ein Taeniodont, der wie ein kleiner dicker
Wombat aussah. Es wühlte im Boden und grub Wurzeln und Knollen
aus. Keins der kleinen Geschöpfe auf dieser Lichtung wäre
einem menschlichen Beobachter bekannt vorgekommen. Sie waren scheu,
eigenartig, hässlich und legten ein fast reptilienartiges
Verhalten an den Tag. Sie schauten laufend über die Schulter wie
Gelegenheitsdiebe, die jeden Moment mit der Rückkehr des
Hausherrn rechneten.
    Diese Säugetiere hatten sich aus der Kreidezeit
herübergerettet. Damals hatte die Erde den Eindruck einer
einzigen Stadt erweckt, die nur an den Bedürfnissen ihrer
Besitzer, den Dinosauriern ausgerichtet war. Doch nun waren die
Herren verschwunden, die Infrastruktur vernichtet, und die einzigen
Überlebenden waren die urbanen Spezies, die in der Kanalisation
gehaust und sich von Abfällen ernährt hatten.
    Die zu neuem Leben erwachte Erde unterschied sich aber grundlegend
von der idyllischen Kreidezeit. Die neuen Wälder der Erde waren
viel dichter. Es gab keine großen Pflanzenfresser mehr: Die
Sauropoden waren verschwunden, und das Erscheinen der Elefanten lag
noch weit in der Zukunft. Es gab keine Tiere mehr, die groß
genug waren, um Bäume zu fällen, Lichtungen und Schneisen
zu schlagen und parkartige Savannen zu schaffen. Nun spross die
Vegetation umso üppiger und verwandelte die Welt in einen
botanischen Garten, wie man ihn nicht gesehen hatte, seit die ersten
Tiere an Land gekommen waren.
    Aber es war eine seltsam leere Bühne. In diesen dichten
Urwäldern lebten keine räuberischen Dinosaurier mehr, aber
auch noch

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