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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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die Beete und die abgedeckten Springbrunnen, die nun für den Winter vorbereitet wurden. Er radelte durch Wasserpfützen und nahm Abkürzungen über den Rasen. Es war ein wunderschöner Herbsttag und die letzten roten und braunen Blätter schwebten von den alten Alleebäumen zwischen den beiden Schlössern langsam zu Boden.
    Die SS-Wachen am Tor lachten und scherzten mit ihm, als sie ihn sahen, sie mochten den aufgeweckten Jungen. Dann drehten sich die Wachen um und wandten sich wieder ihrer Unterhaltung zu. Blitzschnell schoss der Zehnjährige an ihnen vorbei, radelte aus dem Tor und direkt in einen vorbeifahrenden Lastwagen. Reifen quietschten, es gab einen dumpfen Knall und Klaus Heydrich war auf der Stelle tot.
    Den Lkw-Fahrer, einen gewissen Karel Kaspar, ließ die Gestapo nach einer ausführlichen Vernehmung wieder laufen. Man war überzeugt, dass er am Unfall keine Schuld hatte. Als Lina Heydrich zwei Jahre später im April 1945 mit ihren Kindern vor dem Feuersturm der vorrückenden Roten Armee flüchten musste, heuerte sie Karel Kaspar und seinen Lkw für den Abtransport ihrer Habe westwärts an. Er kehrte nie wieder zurück.
    »Bis zum Schluss?«, hatte SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich vor seinem Tod gefragt. »Bis zum Schluss«, hatte ihm der Unbekannte geantwortet.
Eurocity 358 Wien–Dresden
    P aul Wagner las zum dritten Mal das Vermächtnis von Hans Mertens durch, während die Landschaft draußen immer hügeliger wurde. Südlich von Prag war der Zugbegleiter wieder in ihr Abteil gekommen, um erneut die Fahrscheine zu kontrollieren. Er hatte dem seit Wien schlafenden und laut schnarchenden Sina einen seltsamen Blick zugeworfen.
    Das klingt alles nicht gut, dachte sich Paul Wagner, steckte das Vermächtnis ein und war versucht, seinen Freund zu wecken. Der kalte Hauch der Geschichte schien durch das Abteil zu wehen, als Paul sich mehr und mehr bewusst wurde, dass einer seiner Vorfahren nicht nur die rechte Hand des berühmten Faust gewesen war, sondern dass er das Buch, nach dem die ganze Welt suchte, auch tatsächlich vergraben hatte und seit Generationen eine geschriebene Schatzkarte in der kleinen Ritterfigur versteckt gewesen war.
    Paul konnte die drei handgeschriebenen Seiten von Mertens zwar einstecken, aber nicht einfach vergessen. Dieses Vermächtnis war wie eine einzige große Warnung. Waren sie wirklich knapp vor der Entdeckung des großen Geheimnisses? Lag in Chemnitz die Lösung und sie brauchten nur mehr eine Schaufel und etwas Glück? Und was kam danach? »Solltest du aber verstehen, dann lies und lauf! Denn ab jetzt bist Du auf der Flucht für den Rest Deines Lebens«, hatte Mertens geschrieben.
    Paul stand auf und schob die Abteiltür auf, ging in den Gang hinaus und lehnte die Stirn an das kühlende Fenster. Noch vier Stunden bis Chemnitz, dachte er und wollte gerade Sina wecken, als der Wissenschaftler neben ihn ans Fenster trat und mit müden Augen auf die vorbeiziehende Landschaft blickte.
    »Na, von den Toten wieder auferstanden?«, fragte Wagner und fand im gleichen Moment die Bemerkung doch nicht so witzig.
    »Drei Flaschen Wein?«, fragte Georg Sina ungläubig nach.
    »Vom Guten«, antwortete der Reporter bestätigend.
    »Na, wenigstens etwas«, lächelte Sina gequält und schaute auf die Uhr. »Wir sollten uns unserem kleinen Pergament zuwenden, was meinst du? Zeit für ein Quiz mit Johann Wagner.«
    Als sie beide wieder im Abteil saßen, zog der Wissenschaftler das kleine Stück Papier aus seiner Tasche und rollte es auf. Dann las er vor:
     
    »Wo in Chemnitz einst das trutz’ge Schloss gestanden,
    Wo nunmehr auch die schwarzen Brüder schweigen,
    Sich an der Pforte Rosen um St. Mariens Bildnis wanden,
    Sollst Du vor Kaiser Lothar Dich verneigen,
    So viel gerühmt in unsren Sachsen-Landen.
    Dann sollst Du frech der Kaiserin den Rücken zeigen.
    So blickst Du wohin niemals Phoebus Wagen fährt,
    Nun geh nach Leipzig wohl tausend Schritte,
    Nicht am Grund, sondern wie’s der Rabe lehrt,
    Dort findest Du in des Dornenstrauches Mitte,
    Dr. Fausti Hoellenzwang ganz unversehrt.
     
    Doch gib nur Acht, der Preis ist hoch,
    Was Engel zeugt, das bringt den Tod.
    Am End ist oben unten.
    Da die Engel herrschend, und dort die Himmel leer.«
    »Was fällt dir auf, Paul?«, fragte er und hielt Wagner das Papier hin.
    »Es ist in zwei Teilen geschrieben, das erste ist mehr oder weniger eine genaue Anleitung und Beschreibung des Weges bis zu dem bewussten Dornenstrauch, den es heute

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