Ewig
zu Pulverresten zermahlte.
Der Anführer drehte den Absatz einmal hin und her, dann nickte er einem seiner Männer zu. »Doktor, die Spritze. Ab jetzt unterhalten wir uns auf einer Ebene.«
Heydrich war völlig gebrochen, die Nadel, die in seine Vene eindrang, nahm er kaum zur Kenntnis. Seine Augen schlossen sich langsam und während der junge Arzt Licht machte und die Minuten auf seiner Uhr abzählte, zog sich der Anführer einen Stuhl näher ans Bett und setzte sich. Er betrachtete Reinhard Heydrich im Lichtkreis der gelben Lampe, den von allen gefürchteten Machtmenschen, Herrscher über SS und Gestapo, den einst braven streberhaften Jungen aus einer erzkatholischen Familie, der es bis an die dritte Stelle im Reich geschafft hatte, gleich hinter Hitler und Himmler. »HHHH«, raunte man sich hinter vorgehaltener Hand zu, »Himmlers Hirn heißt Heydrich.« Der passionierte Informationssammler war als Chef des Reichssicherheitshauptamtes ein Aktenanleger geworden. Er wusste alles über alle, kannte jedes noch so dunkle Geheimnis. Und während der spleenige Himmler auf seiner dreieckigen Wewelsburg bei Fackeln und seltsamen Ritualen noch von lang vergangenen Zeiten träumte, war der Realist Heydrich längst allen um den entscheidenden Schritt voraus gewesen.
Der Reichsprotektor kam langsam wieder zu sich und der Arzt nickte dem Anführer zu.
»Ihr Name?« Die Frage kam im Befehlston und verfehlte ihre Wirkung nicht.
»Reinhard Eugen Tristan Heydrich.«
»Rang und Funktion?«
»SS-Obergruppenführer und stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren.«
Wieder nickte der Arzt dem Anführer zu. Das Serum war nun voll wirksam, die Fragen durften schwieriger werden.
»Erzählen Sie mir von Ihrer Jugend und Ihrem Werdegang«, forderte der Anführer ihn auf und lehnte sich im Sessel zurück.
Heydrich begann stockend zu erzählen. »Ich wurde 1904 in Halle geboren, mein Vater war Opernsänger und Musiker und gründete das Konservatorium, auf dem ich auch Klavier und Geige studierte. Mit 16 schloss ich mich dem örtlichen Freikorps an und verließ meine Heimatstadt zwei Jahre später, um eine Ausbildung zum Marinenachrichtenoffizier an der Ostsee zu beginnen.«
Der Unbekannte unterbrach ihn. »Die allerdings 1931 schon wieder zu Ende war, nachdem Sie von Admiral Raeder wegen ehrwidrigem Verhalten entlassen worden waren. Sie waren verlobt und hatten trotzdem die Tochter eines Werftbesitzers geschwängert, so weit zum Ehrenkodex«, meinte er spöttisch. Heydrich wollte auffahren, doch der Arzt hielt ihn zurück. Dabei rutschte der Ärmel von Heydrichs Schlafanzug hoch und die tätowierte SS-Nummer 10.120 kam zum Vorschein.
»Na, mit der Nummer war er auch nicht bei der ersten Welle«, meinte einer der SS-Obersturmbannführer spöttisch zum Arzt.
Der lachte. »Sei ruhig, du hast gar keine Nummer, höchstens eine auf dem Friedhof der Namenlosen, wenn das so weitergeht …«
Der Anführer brachte sie mit einem Blick zum Schweigen und fuhr fort: »Sie wurden 1936 Leiter des Sicherheitsdienstes, der Gestapo und der Sicherheitspolizei für das gesamte Reich, 1939 Chef des Reichssicherheitshauptamtes und wurden 1941 von Himmler mit der Endlösung der Judenfrage beauftragt. Den Vorsitz über die berüchtigte Wannsee-Konferenz führten Sie selbst. Das ist alles bekannt.« Der Anführer beugte sich vor. »Aber es gibt Dinge, die kennt niemand von Ihnen, Heydrich. Die wissen nur wir. Wie kamen Sie dazu, das Geheimnis von Kaiser Friedrich zu suchen und das große Rätsel zu lösen?«
Ein überheblicher Ausdruck von unendlichem Stolz und unerschütterlichem Selbstbewusstsein zog über Heydrichs Gesicht. Er legte den Kopf in die Kissen zurück.
»Himmler«, stieß er dann hervor, »dieser Simpel, dieser Hühnerzüchter! Er glaubte, das Rätsel alleine lösen zu können, er wollte noch mächtiger werden, der erste Mann im Reich, größer und wichtiger als Hitler. Erst schickte er Otto Rahn auf die Suche nach dem Heiligen Gral ins französische Languedoc. Rahn, der Träumer, dieser Versager. Er wandelte auf den Spuren der Katharer, eröffnete in Frankreich ein Restaurant und machte schließlich Pleite. Dann kam er reumütig nach Hause, keine Spur vom Gral. Also schickte Himmler 1938 eine aufwändige Expedition nach Tibet, mit der SS-Standarte auf den Wagen und mit Kameraleuten, die alles im Bild festhalten sollten. Die Aufgabe war geheim, aber klar formuliert: Ernst Schäfer sollte die Drachenkönige finden und ihr
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