Ewig
oben. »Es sind allerdings nur die fünf Vokale, durch Punkte getrennt. Dann eine Rose und die Jahreszahl 1480. Nach der Beschreibung auf der Schautafel dort drüben ist es das Jahr, in dem Friedrich die Stadtbefestigungen erneuern lassen hat, um die Beschädigungen durch den ungarischen Ansturm zu beseitigen.«
»Schade, das gibt nicht viel her«, meinte Paul ein wenig enttäuscht. »Nach allem, was wir jetzt wissen, ist die Rose wieder ein Mariensymbol. Aber der Rest ist vollkommen unspektakulär und im Zusammenhang logisch. Nichts Verstecktes, kein doppelter Boden.«
»Ich stimme euch zu«, sagte Georg schulterzuckend, »damit ist alles gesagt, was es zur Inschrift zu sagen gibt.« Er gab einer leeren Zigarettenschachtel, die vor seinen Füßen lag, einen leichten Tritt und Tschak nahm das sofort als Aufforderung, apportierte sie und blickte erwartungsvoll zu Georg auf. Sina schoss sie nochmals, etwas fester und weiter weg. »Die ganze Fahrt leider umsonst!«
»Aber gar nicht!«, lachte Paul. »Jetzt gehen wir nach Stein zum Heurigen. Wenn wir schon einmal da sind, machen wir doch das Beste draus. Essen müssen wir sowieso, also warum nicht in netter Umgebung.« Er schaute nochmals zu den fünf Buchstaben hoch.
»Gestatten Sie, dass ich mich anschließe?«
Goldmann, Wagner und Sina fuhren herum. Vor ihnen stand lächelnd der elegant gekleidete Unbekannte, lässig die Hände in den Manteltaschen versenkt. Er war wie ein Geist scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht. »Die Fahrt von Graz hierher war anstrengender als erwartet. Vor allem der Beginn war voller Überraschungen und seltsamer Begegnungen. Ich könnte jetzt auch einen guten Schluck und einen Imbiss vertragen.« Peer van Gavint setzte sein Filmstarlächeln auf und schaute sich um. »Wirklich nett hier, da soll noch jemand sagen, Reisen bildet nicht.« Er war gut aufgelegt.
Valerie stand das Misstrauen ins Gesicht geschrieben. Paul stand neben ihr und raunte ihr zu: »Das ist der komische Kauz, wegen dem ich dich aus Wiener Neustadt angerufen habe.«
Valerie nickte mit ernster Miene. »Das habe ich mir schon gedacht«, flüsterte sie. »Wenn er in Graz war und ich ihn nicht bemerkt habe, dann ist er ein Profi. Und wenn er uns dann auch noch seit Graz gefolgt ist, wie er sagt, dann hat er das überaus diskret geschafft. Wir sollten auf der Hut sein.«
Georg hatte den Kopf schief gelegt und betrachtete den überraschend aufgetauchten Unbekannten nachdenklich. Tschak schnüffelte an den Hosenbeinen Gavints und knurrte. Diesmal ließ ihn Sina knurren.
Der Heurige in der Altstadt von Stein war umgeben von Weinterrassen und bot einen Panorama-Blick auf die Donau. Auf dem breiten, graugrünen und überhaupt nicht blauen Strom tuckerten behäbig Lastenkähne, Schlepper und Ausflugsschiffe vorbei. Auf einem nahen Berggipfel am anderen Ufer glänzten die Zwiebeltürme von Stift Göttweig in der Sonne. Goldmann, Sina, Wagner und Gavint nahmen an einem langgestreckten Tisch auf der Terrasse Platz. Die Kellnerin kam und bot ihnen eine kleine Weinprobe an, bevor sie sich für eine bestimmte Sorte entscheiden sollten.
»Wir haben auch einen sechshundert Jahre alten Weinkeller, wenn Sie möchten, dann kann ich Ihnen gerne eine kurze Führung vermitteln«, meinte die Kellnerin abschließend, bevor sie wieder verschwand, um die kleinen Gläser für die Weinprobe zu bringen.
Valerie blickte sich um und genoss die Aussicht und die Sonne. Wäre der Unbekannte neben ihr nicht gewesen, sie hätte sich entspannt und den Rest des Tages bis in den späten Abend wahrscheinlich hier verbracht. Wagner und Gavint waren in die Weinkarte vertieft, während Georg sein elegantes, stets unverbindlich lächelndes Gegenüber eingehend betrachtete und einzuschätzen versuchte.
Nachdem sie bestellt hatten, dauerte es nicht lange und Holzteller mit Wurst, kaltem Schweinebraten, Geräuchertem und Aufstrichen wurden serviert. Als besondere Spezialität hatte ihnen die Kellnerin die sogenannten »Wachauerlaberl« ans Herz gelegt, für die Region typische Brötchen, die perfekt zu den kalten Speisen passten. Georg Sina blickte mit Appetit über den Tisch und merkte erst jetzt, wie groß sein Hunger war. Die Enttäuschung über den fehlenden Hinweis am Steiner Tor war bereits wieder vergessen.
Paul kostete den Wein und sah in die Runde. »So war es immer«, scherzte er, »ist Georgs Stimmung auf dem Tiefpunkt, braucht man ihn nur zu füttern und schon geht es ihm besser. Nicht wahr,
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