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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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plastisch aus dem Stein gehauenen geschundenen Körper. Als sie vor dem bronzenen alten Juden in der Mitte stand, der mit der Reißbürste den Boden schrubben musste, wurden ihre Augen feucht. Würde nun Wien für sie immer das Gesicht Alfred Wimbergers haben, der auch heute noch keine Reue zeigte? Das aber wollte sie nicht zulassen, um keinen Preis.
    Trotzig ging sie weiter durch den Burggarten, zwischen hohen Bäumen, auf weiß gepflasterten Wegen und an grazilen Figuren vorbei. Ihr Selbstbewusstsein gewann langsam wieder die Oberhand, die schwermütigen Gedanken verflogen. Sie ließ ihre bewundernden Blicke über die wuchtige Fassade der Hofburg schweifen. Hier haben sie also regiert, die Kaiser, ging es ihr durch den Kopf, das war das Zentrum der Macht des Reiches. Selbst Friedrich, der Mann, der sie nach Wien gebracht hatte, war hier an den Schalthebeln der Macht gesessen, hatte die Fäden gezogen, wollte Beherrscher dieser Welt werden wie einst Qin Shihuangdi in China.
    Valerie überlegte, wie sie dem historischen Phantom Friedrich näher kommen, wie sie ein Gesicht, ein wenig Leben in diese Persönlichkeit bringen könnte.
    Sie hatte in den Stadtinformationen gelesen, dass sich in den endlosen Fluchten dieses riesigen Palastes auch die Hof-, Jagd- und Rüstkammer befand. Ob es dort noch irgendetwas von Friedrich gab? Sie stieg über die breiten Treppen ins Museum hinauf und erkundigte sich an der Kasse, ob in den Ausstellungen etwas aus dem Besitz des Kaisers zu sehen sei.
    »Aber selbstverständlich, eines der Prunkstücke der Rüstkammer ist sein Harnisch«, sagte die Dame freundlich, »gehen Sie nur hinauf und schauen Sie ihn sich an, er ist es wert.« Eine Rüstung, die in jeder Hinsicht sein Abbild in Eisen darstellte und sein Leben beschützte, das war mehr, als Valerie erwartet hatte.
    Als sie die breite Freitreppe zu den Schauräumen der Rüstkammer am Heldenplatz hinaufging, blieb ihr vor Staunen fast der Mund offen. Dieses Schloss war riesig und prunkvoll, von wahrlich imperialen Dimensionen. Die gesamte halbrunde, nach innen gewölbte mittlere Fassade war im Inneren ein einziger Raum, in dem marmorne Treppen nach oben in die einzelnen Flügel führten. Es war hier keineswegs dunkel und muffig, wie sie es von anderen Prunkbauten gewohnt war. Die Frühlingssonne schien durch die hohen Fenster herein und beleuchtete die Gesichter auf den großflächigen Porträts in schweren, geschnitzten Goldrahmen.
    Direkt vor ihr ragte die wuchtige Gestalt eines Ritters in seiner Rüstung auf einem großen Pferd auf. Der Stahl schimmerte kalt, das Rot und Gelb der Pferdedecke flammte förmlich dagegen auf. Sie umrundete beeindruckt den Turnierreiter, hinter dem zwei weitere aufgestellt waren und scheinbar aufeinander zupreschten. Sie hörte förmlich das Schnaufen der Rosse und das Donnern der Hufe auf dem Sand des Turnierplatzes. Die Reiter stammten in etwa aus der Zeit Friedrichs und seines Sohnes, und Goldmann bekam einen Eindruck davon, wie ihre Zeit ausgesehen haben musste, bunt, gewaltig und kraftstrotzend … und todbringend.
    Goldmann schritt die langen Reihen der Rüstungen ab und bewunderte ihre Kunstfertigkeit, die beinahe vergessen ließ, wozu sie gebaut worden waren. Sie bestaunte die farbenfrohen Tapisserien an den Wänden. Interessiert musterte sie die Ausrüstungsgegenstände und prunkvollen Waffen in den Vitrinen, aber den Harnisch von Kaiser Friedrich III. konnte sie nicht entdecken.
    Hilfesuchend wandte sie sich an einen Aufseher. Der ältere Herr hatte einen dicken Schnauzer im schmalen Gesicht und dunkle, halblange Haare, die von grauen Strähnen durchzogen waren. Seine Uniform wirkte um Nummern zu groß, der Körper darunter musste sehnig und knochig sein. Er lächelte sehr freundlich, als ihn Valerie ansprach:
    »Entschuldigen Sie, können Sie mir sagen, wo die Rüstung ist, die Kaiser Friedrich III. gehört hat?«
    Der alte Museumsdiener nickte, begeistert darüber, dass sein eintöniger Tag eine so attraktive Abwechslung in Form dieser jungen, hübschen und dazu noch interessierten Besucherin erfuhr. Mit einer einladenden Geste bat er Goldmann in einen der hinteren Schauräume.
    »Es ist nicht direkt eine Rüstung von Friedrich, aber dafür sein berühmter Rossharnisch«, erklärte er, »er wurde in Augsburg 1477 angefertigt und ist eines der schönsten Exemplare seiner Zeit.«
    »Was ist ein Rossharnisch? Eine Rüstung für ein Pferd?«, fragte Valerie und war ein wenig erstaunt.
    »So ist

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