Ewig
Herschel, der zwei Paar Brillen übereinander trug, weil er sich nicht an neue stärkere Gläser gewöhnen wollte.
Shapiro nahm seine Wanderung durch den Duschraum wieder auf, die Hände auf dem Rücken verschränkt. »Glauben Sie an Legenden, Major?«, fragte er ruhig.
Schließlich sagte sie: »Ich hatte noch keine Gelegenheit, eine zu überprüfen. Aber man sagt doch, dass Legenden immer einen wahren Kern haben.« Das wird immer seltsamer, dachte Valerie und fragte sich, worauf Shapiro mit seinen Fragen abzielte.
Der Geheimdienstchef antwortete nicht und Valerie war sich nicht sicher, ob er sie überhaupt gehört hatte. Seine Schritte hallten laut in dem gekachelten, weißen Gang und von draußen vernahm man weibliche Stimmen, die näher kamen.
Rasch trat Shapiro zu ihr und sprach schnell und leise, dafür umso eindringlicher. »Major Goldmann, ich erwarte Sie morgen Vormittag in meinem Büro in Tel Aviv. General Leder hat Sie auf unbestimmte Zeit beurlaubt und mit sofortiger Wirkung meiner Abteilung unterstellt.« Als Valerie etwas einwenden wollte, hob er die Hand. »Nicht jetzt. Sollte Ihnen der Auftrag nicht gefallen, dann können Sie jederzeit zurück zu Ihren Jungs. Auch das habe ich mit Danny besprochen.«
Die Tür zum Waschraum flog auf und eine Gruppe junger Rekrutinnen stürmte lachend herein. Sie stutzten, als sie Shapiro sahen und gingen schließlich kichernd in die Umkleidekabinen.
Shapiro verdrehte die Augen und sagte zu Valerie nur noch »Zehn Uhr. Pünktlich«. Dann war er auch schon durch die Tür verschwunden und seine Schritte im Gang entfernten sich schnell.
Prag/Tschechische Republik
B ischof Frank Kohout kniete in der kleinen Hauskapelle des erzbischöflichen Palais und betete für das junge blonde Mädchen, das in der Karlskirche in Wien zu Tode gestürzt war. Der barocke Andachtsraum war vor mehr als zweihundert Jahren eingerichtet worden, beherrscht von einem Marienaltar mit einer schwarzen Madonna. Vor dieser kniete Kohout nun und er war so vertieft in seine Andacht, dass er Schwester Agnes gar nicht bemerkte, die neben ihm auf die Knie gesunken war und ebenso still betete.
Erst als er aufblickte, sich bekreuzigte und aufstand, sah er sie neben sich und verneigte sich vor ihr.
Sie lächelte ihn traurig an. »Bruder Franziskus, was für ein grausamer Tod für so einen jungen Menschen. Gott sei ihrer Seele gnädig.«
»Und ihr Mörder möge in der Hölle schmoren«, antwortet Kohout verbittert und bekreuzigte sich erneut. War das Kreuz nicht auch Hinrichtungsort und nicht nur Zeichen der Gnade?
»Der erste Mord in Almouriel vor zwei Tagen war eine Warnung und Kriegserklärung an unseren Orden, wie Ihr so richtig festgestellt habt, ehrwürdige Mutter. Der Mörder hatte bewusst eine Templerburg ausgesucht, er hatte Almouriel gewählt, weil alle fünf Vokale ›AEIOU‹ in ihrem Namen vorkommen und er uns darauf hinweisen wollte, dass er wusste, dass er eingeweiht war. Und Portugal? Wo sonst, war doch Friedrich mit Eleonore von Portugal verheiratet.«
Schwester Agnes neigte bestätigend den Kopf.
»Dann schnitt er dem armen Opfer das Wort ›Agnes‹ in die Stirn, den Namen unserer Gründerin und unserer derzeitigen Vorsteherin. Er wollte, dass wir verstehen, dass ein Eingreifen unsererseits eine Katastrophe auslösen würde.« In Kohouts Stimme schwangen die Wut und die Empörung mit, die alle im Orden seit Tagen fühlten. »Aber damit nicht genug. Gestern beging er einen weiteren Mord in unserer Kirche, der Karlskirche in Wien, und ich zweifle nicht eine Sekunde, dass es derselbe Mann war wie in Portugal.«
Schwester Agnes stand auf und bekreuzigte sich, bevor sie an der Seite von Kohout die Kapelle verließ und sie gemeinsam die breiten Stufen in sein Büro hinuntergingen.
»Das Bild vom gestürzten Engel lässt mich auch im Traum nicht mehr los«, gestand Kohout ihr leise und ballte die Fäuste.
»Ich weiß, Bruder Franziskus, ich weiß.« Die zierliche Nonne legte ihre Hand beschwichtigend auf den Arm des Monsignore und spürte seine angespannten Muskeln unter der Soutane.
»Irgendwer versucht mit aller Macht hinter das Geheimnis zu kommen, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln«, sagte Schwester Agnes leise. »Aber es ist nicht so wie in den vergangenen Jahrhunderten. Er kennt unseren Orden, er weiß um unsere Existenz. Deshalb macht er es nicht heimlich, sondern fordert uns heraus, kündigt sich an, provoziert und warnt uns zur gleichen Zeit. Das gab es bisher
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