Ewig
Slip und BH an, als die Tür aufging und ein Mann eintrat, den sie noch nie gesehen hatte.
»Was halten Sie von Anklopfen?«, fuhr sie ihn an. »Außerdem ist das die Offiziersdusche und Zivilisten haben hier nichts zu suchen. Wie kommen Sie überhaupt hierher?«
Der Fremde antwortete nicht, betrachtete sie ungerührt von Kopf bis Fuß, lächelte schließlich.
»General Leder hat Recht gehabt, Sie könnten jederzeit ein Bond-Girl spielen. Ich bin wirklich beeindruckt – von Ihrer Figur und Ihren Leistungen vorhin beim Häuserkampf.« Er streckte die Hand aus und sah Valerie an. »Darf ich mich vorstellen? Oded Shapiro.«
»Erwarten Sie jetzt ein erkennendes ›Ahhh‹?«, erwiderte Valerie und übersah geflissentlich die ausgestreckte Hand. »Ich unterhalte mich normalerweise nicht halbnackt mit Fremden und selbst bei Oded Shapiro mache ich keine Ausnahme. Wenn Sie mit mir reden wollen, dann kommen Sie ins Offizierskasino. Und jetzt raus, Mr. Shapiro!«
»Und ich unterhalte mich normalerweise nicht in einem Duschraum mit einem weiblichen Mitglied der israelischen Armee, wenn es keinen triftigen Grund dafür gibt«, versetzte Shapiro und fügte trocken im Plauderton hinzu: »einen triftigeren als Ihre Figur, glauben Sie mir, Major Goldmann.«
»Kleines Café«, Wien/Österreich
K ommissar Berner hörte zu, trank seinen dritten Kaffee und rauchte seine vierte Zigarette und begann langsam zu verstehen. In seinem Kopf wirbelten die Daten und Fakten durcheinander, die Sina und Wagner ihm in der letzten halben Stunde präsentiert hatten. Aber sein analytischer Verstand fügte Teil um Teil zusammen und bald zeichnete sich ein schemenhaftes Bild ab, das ihm jedoch gar nicht gefiel. Beide Freunde hatten alle Informationen auf den Tisch gelegt und Berner spürte, dass sie zwar neugierig waren und dem Geheimnis auf die Spur kommen wollten, aber andererseits genauso besorgt waren wie er.
»Lassen Sie mich also zusammenfassen, bevor ich Ihnen die Einzelheiten des Mordes in der Karlskirche erzähle«, sagte Berner und blätterte dabei in seinem Notizblock, in den er hin und wieder ein Stichwort gekritzelt hatte.
»In der Ruprechtskirche wird ein Fremdenführer erschossen, sein Mörder hinterlässt die beiden Buchstaben L und I und fährt mit einem Wagen der chinesischen Botschaft an den Tatort. Der offensichtliche Grund des Mordes: Sie beide, erst Wagner, dann Sina, sollen beginnen, sich für die fünf Buchstaben AEIOU und damit für Kaiser Friedrich zu interessieren.«
Berner blickte von seinem Notizblock auf. »Verstehen wir uns richtig. Das war ein eiskalter Mord zu nur dem einzigen Zweck, Sie beide ins Spiel zu bringen. Genau das gelingt. Sie treffen bei Ihren Ermittlungen in der Stephanskirche auf Hans Mertens, der ein Kenner der Geschichte des Kaisers und seines Grabmals ist. Wenige Stunden später ist Mertens tot, ermordet, wie ich heute Morgen erfahren habe. Seine Aufzeichnungen und Unterlagen sind entweder verschwunden oder noch immer in der Wohnung, je nachdem ob der Mörder sie gefunden hat oder nicht. Korrekt?«
Sina und Wagner nickten.
Berner fuhr fort: »Niemand in den letzten fünfhundert Jahren ist hinter die Bedeutung der Buchstaben oder den Grund ihrer Entstehung gekommen. Die Wissenschaft weiß nicht einmal, warum sie an bestimmten Monumenten in Österreich auftauchen oder welche Urkunden warum damit gezeichnet wurden. Kaiser Friedrich, der Geheimschriften liebte und fünfhundert Jahre lang mit fünf Buchstaben die Wissenschaft narrte, hinterlässt ein leeres Grabmonument, ein rätselhaftes Monogramm, ein komplexes Kirchen-Rebus in Wien, das ein chinesisches Längenmaß als Grundlage hat und schickt uns damit – wohin?«
Der Kommissar schaute Sina an, der mit den Schultern zuckte und die Hände hob. »Ertappt, Kommissar. Wir haben keine Ahnung.«
Berner schüttelte den Kopf. »Das Motiv für den ersten Mord leuchtet mir ein, das für den zweiten an Mertens auch. Und jetzt noch ein dritter …« Der Kommissar blätterte einige Seiten nach vorn und das Bild des blonden, gestürzten Engels in der Karlskirche kam ihm wieder in den Sinn. In kurzen, präzisen Worten schilderte er die Fakten und seine Entdeckung in den Aufzeichnungen der Sicherheitskameras an der französischen Botschaft. Dann schwieg er, zündete sich eine Zigarette an und schloss die Augen, aber das Bild des blonden Mädchens mit dem schwarzen Gesicht, den aufgemalten Engelsflügeln und den Baumwoll-Bällchen im Mund war noch immer
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