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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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erst hier wäre? Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, ins Kino zu gehen, konnte aber nicht alleine los, weil sie seinem Vater versprochen hatte, in der ersten Zeit zu Hause zu bleiben.
    »Der interessiert mich nicht«, sagte Aaro. »Da geht’s um Beziehungen.«
    »Na klar geht’s da um Beziehungen! Das ganze Leben besteht aus Beziehungen. Gott sei Dank.«
    Beinahe erschrocken sah Aaro zu Reija hinüber, deren Stimme einen merkwürdig vollen und warmen, schnurrenden Klang angenommen hatte. Wenn sie an zwischenmenschlichen Beziehungen interessiert war, sollte sie dann nicht lieber Leute treffen, statt ins Kino zu gehen?
    Aaro würde nicht mitkommen, denn die Kollegen seines Vaters konnten jeden Moment kommen. Außerdem war der Film erst ab sechzehn. Doch das Argument könnte sich bei nächster Gelegenheit sehr zu seinen Ungunsten auswirken, also verkniff er es sich jetzt wohl besser.
    »Die Karten sind mir zu teuer. Ich spare das Geld lieber für ein Handy«
    Das stimmte in jeder Hinsicht. Geld war immer ein Problem. Wenn man es nicht hatte, sowieso, und wenn man es hatte, musste man entscheiden, was man kaufte oder ob man es besser sparen sollte. Sein Vater gab Aaro gern gute Ratschläge, obwohl man bei dessen Umgang mit Geld auch nicht so recht wusste, ob man lachen oder weinen sollte. Eigentlich müsste der Mann entmündigt werden. Ohne mit der Wimper zu zucken, konnte er – nach ausgiebigem Feilschen – bei einem marokkanischen Verkäufer auf dem Marolles-Markt für dreißig Euro einen alten, stinkenden Stuhl kaufen, wenn es aber darum ging, mehr Speicherkapazität für den Computer anzuschaffen, wurde das mit einem Klagelied über sinkende Gehälter und steigende Lebenshaltungskosten abgelehnt.
    Und das, obwohl sein Vater, soweit Aaro das verstanden hatte, in Brüssel so viel verdiente wie nie zuvor. Andererseits musste er zugeben, dass sie ziemlich oft teure Sachen unternahmen: Zum Beispiel fuhren sie am Wochenende mit dem Eurostar nach London und besuchten zwei Tage das Naturhistorische oder das Wissenschaftsmuseum. Das machte Spaß, und dafür hatte sein Vater auch Zeit – im Gegensatz zu Spielen an der PlayStation.
    Der andere Ort, an dem sich der Geldbeutel seines Vaters mühelos öffnete, war die Buchhandlung. Aaro wollte sich gar nicht erst vorstellen, wie viele Konsolenspiele er für den Inhalt seines Bücherregals bekommen hätte. Exakt denselben Gedanken kultivierte sein Vater in die andere Richtung … Zum Glück hatte Aaros Mutter wegen ihrer Arbeit ein schlechtes Gewissen, weshalb sie ihm hin und wieder etwas kaufte, wozu sein Vater auch nicht nach monatelangem Betteln bereit war.
    »Das hört sich an, als hätten deine Eltern eine Gehirnwäsche bei dir vorgenommen, damit du sparst«, sagte Reija. »Ältere Leute leben mit der Illusion, Sparen würde einen irgendwann glücklich machen. Das ist Käse, glaub mir.«
    Aaro sah unten auf der Straße einen Mann am Steuer eines Wagens sitzen. War das wieder derselbe? Worauf wartete er?
     
    Das Einfamilienhaus im Charlottesviller Vorort Waynesboro lag im Schlummer. In der Einfahrt stand ein Bronco-Geländewagen, am Treppengeländer lehnte ein Mädchenfahrrad. Doktor George Rauber saß in seinem Arbeitszimmer im ersten Stock und wählte nachdenklich die Nummer eines CIA-Beamten. Der nahm selbst ab.
    Rauber stellte sich vor und sagte: »Sie haben mir vor einiger Zeit am Michigan-See ein Foto von Viruspartikeln gezeigt. Seitdem beschäftigt mich das. Diese fadenartigen Viren mit den seltsam runden Enden … Ich bin der Sache nachgegangen.«
    »Sprechen Sie, Doktor Rauber.«
    »Ich erinnere mich, wo ich diese Form schon einmal gesehen habe. Es gab da ein Projekt unter der Leitung von Ralf Denk, das vor drei Jahren abgebrochen wurde. Sein Team benutzte einen gentechnisch veränderten Virenstamm, dessen Virionen etwas mit denen auf dem Foto gemeinsam hatten.«
    »Ist es Ihnen recht, wenn wir uns gleich an Ihrem Arbeitsplatz treffen?«
    »Selbstverständlich. Aber ich weiß nicht, ob es …«
    »Beeilen Sie sich.«
     
    Wieder spähte Timo durch den knapp einen Meter hohen Spalt und sah im Schein der Lampe vier Grüne Mambas, die sich unruhig bewegten, sobald das Licht auf sie fiel. Sie hielten sich noch immer an der Stelle der Verengung auf, an der man nur kriechen konnte. Nach draußen konnten sie nicht, denn die Führerin hatte dort eine Flüssigkeit verschüttet, vor der sie zurückschreckten.
    Auch in Timos Richtung kamen sie offenbar nicht, solange in

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