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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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und das Ladekabel. Er tippte sorgfältig eine Nummernfolge ein, die sämtliche Anrufe auf das Telefon umleitete, das er aus seiner Tasche zog und in die Ablage der Mittelkonsole legte.
    Das Navigationstelefon überreichte er Noora wie einen zerbrechlichen Gegenstand. Ohne ein Wort kehrte Noora mitsamt dem Telefon zu ihrem Wagen zurück. Die Anrufe wurden nun auf Ralfs Telefon im Werttransporter umgeleitet, aber das Navigationstelefon sandte von Nooras Auto weiter Ortungssignale aus.
    Ralf sah im Spiegel, wie Noora mit ihrem Wagen auf der Route des Werttransporters weiterfuhr.
    »Los!«, sagte Ralf zum Fahrer. Er musste husten, um den Kloß im Hals loszuwerden, der sich vor Anspannung gebildet hatte.
     
    Noora schlug beim Fahren mit der Faust aufs Lenkrad. Sie war wütend, und sie hatte Angst, aber sie würde ihren Part erfüllen. Ralf wusste das, und genau das brachte Nooras Blut zum Kochen. Früher hatte sie immer nur nach ihren eigenen Vorstellungen gehandelt, jetzt aber machte sie alles, worum Ralf sie bat. Oder besser: was er ihr befahl.
    Na und, dachte sie, wie um sich gegen einen unsichtbaren Kontrahenten zu verteidigen. Genau deswegen hatte Ralf ja gemerkt, dass man sich auf sie in jeder Situation verlassen konnte. Und dieser Gedanke hatte etwas Faszinierendes. Sie waren ein starkes Paar.
    Noora fuhr die Route des Werttransporters genau nach Fahrplan ab. Das hatte sie in der Woche zuvor schon einmal getan. Instinktiv blickte sie auf das Handschuhfach, in dem das Navigationstelefon lag.
     
    Der Werttransporter stand in einem kümmerlichen, dunklen Wäldchen in einem unbewohnten Gebiet östlich von Pravdino. Am klaren Sternenhimmel leuchtete eine scharfe Mondsichel. Jani Vakkuri, der das Auto gefahren hatte, lag gefesselt und mit verbundenen Augen unter einem Baum. Aus den Kopfhörern, die man ihm aufgesetzt hatte, klang das gedämpfte Gemurmel der Gruppe HIM.
    Ralf stand im engen Laderaum des Wagens. Dessen Boden bestand aus einer geprägten Stahlplatte, auf der eine Gummimatte ausgebreitet war. Mit schnellen Griffen setzte Ralf einen schweren Transportbehälter vor die Tür, wo Sakombi ihn in Empfang nahm und in den Wald warf. Der Kasten konnte Geld oder Wertgegenstände bis zu hunderttausend Euro beinhalten, aber das war zweitrangig. Sie mussten Platz schaffen für eine noch wertvollere Ladung.
    Trotzdem versuchte Ralf, so viele Behälter wie möglich mitzunehmen, denn Geld brauchten sie auch. Er stellte einen der Kunststoffbehälter auf drei Kisten. Zum Transport gehörten noch normale Aktenmappen und dickte, gepolsterte Briefumschläge mit großen Adressaufklebern und roten Klebebändern.
    »Ist jetzt Platz genug?«, fragte Ralf außer Atem. Im Schein der Deckenlampe glänzte der Schweiß auf seinem Gesicht.
    Sakombi stieg in den Laderaum und maß mit einem Rollband Länge, Breite und Höhe. Wegen seines Alters bewegte er sich nicht so geschmeidig, aber er war mindestens ebenso gut in Form wie der fast zwanzig Jahre jüngere Ralf.
    »Noch zwanzig Zentimeter. Wir lassen die großen Kisten unten und stellen einen Behälter …«
    »Keine Zeit. Wir schmeißen den hier raus.« Ralf griff nach einer Kiste und versuchte, sie zur Tür zu schieben, aber sie bewegte sich nicht auf der Gummimatte.
    Sakombi stieg wieder aus, packte die Kiste an den Ecken und zerrte sie nach draußen. »Ist da Gold drin?«, keuchte er. »Das können wir nicht im Wald lassen.«
    »Die nächsten paar Tage findet das hier keiner.« Ralf sprang aus dem Wagen. »Wenn überhaupt jemals.«
    Er half Sakombi, die Kiste in den Wald zu tragen. Plötzlich blieb er stehen und horchte. Auf der Straße näherte sich ein Lastwagen.
    Wie auf wortlosen Befehl machte Ralf einen Satz hinter einen Baum, und Sakombi schloss die Autotüren. Ein kleiner russischer Lastwagen mit Kofferaufbau schaukelte auf der unebenen Straße auf sie zu. Ralf umklammerte seine Waffe.
    Der Lastwagen hielt neben dem Lieferwagen an. Die Türen blieben geschlossen, bis Sakombi hervortrat. Dann stieg auf der Fahrerseite eine gut fünfzigjährige Frau mit Dauerwelle und großer Brille aus. Swetlana Orlowa war promovierte Biologin, sie lehrte an der Universität von Sankt Petersburg, sah aber aus wie eine hinter der Zeit zurückgebliebene Friseurin.
    »Swetlana …«, sagte Sakombi und breitete die Arme aus. Sie umarmten sich ruhig und ungekünstelt.
    Unterdessen stieg auf der Beifahrerseite ein etwa dreißigjähriger Mann mit Maschinenpistole aus. Er wirkte angespannt. Andrej

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