Ewige Nacht
und überlegte, wo Noora mit ihrem Komplizen hingegangen sein konnte. Er wollte jedes Risiko vermeiden, es hatte keinen Sinn, durch zu offensichtliche Neugier alles zu verderben. Das Schiff fuhr quer über die Ostsee, ohne Zwischenhalt, die Verdächtigen konnten also nicht entkommen. Von Travemünde aus konnte sich dann das BKA mit seinen Leuten und seiner eigenen Methode um die Observation kümmern. Er selbst würde irgendwann während der Überfahrt mit Noora sprechen und über dieses Gespräch einen Bericht schreiben, das musste genügen. Timo hatte kein Interesse mehr an der Rolle des heldenhaften Polizisten, die ihn früher so fasziniert hatte. Es gab wichtigere Dinge im Leben als die Arbeit.
Auf dem Autodeck wühlte Aaro im Kofferraum des Mercedes, bis er endlich das Ladegerät für sein uraltes 3110er fand. Das MMS-Teil musste unbedingt her. Durch die Beschlagnahmung seines Wettgewinns war dieses Ziel wieder in weite Ferne gerückt. Das ärgerte ihn einerseits, andererseits entlastete das sein Gewissen.
Aaro schloss den Wagen sorgfältig ab und ging im Zickzack zwischen den Autos hindurch zur Tür. Weder von der Schiffsbesatzung noch von anderen Passagieren war etwas zu sehen. Wegen des Wendemanövers neigte sich das Schiff leicht zur Seite. Aaro blieb neben einem in Deutschland zugelassenen schwarzen Porsche stehen und versuchte, die Höchstgeschwindigkeit auf dem Tacho zu erkennen, aber es war nicht hell genug.
Besonders interessierten ihn die Wohnmobile. Alle hatten kleine Fernsehantennen auf dem Dach und wirkten in jeder Hinsicht gut ausgestattet. Mit Hilfe von GPRS könnte man von so einem Fahrzeug aus sogar ins Internet kommen. Platz für einen ordentlichen Computer war darin genug, und beim Halten konnte man Netzstrom benutzen. Vor seinem inneren Auge sah Aaro am Rand eines Waldes in den Ardennen ein Wohnmobil stehen, in dessen Fenstern der warme Schein eines Computerbildschirms leuchtete.
Ein Fahrzeug mit der Aufschrift Dethleffs sah er sich genauer an. Es wirkte nicht sonderlich neu. Mussten gebrauchte Wohnmobile in Belgien nicht günstig zu bekommen sein, wenn das auch für andere Autos galt? Davon hatte ihm sein Vater vorgeschwärmt. So ein Wohnmobil hatte eine Toilette, eine Dusche, einen Kühlschrank, einen Fernseher. Einen DVD-Player konnte man auch mitnehmen. Aber ob seine Eltern ihn im Schoß der Natur Filme anschauen lassen würden? Wahrscheinlich eher nicht.
Aaro versuchte, ins Innere des Fahrzeugs zu blicken, aber es war darin noch dunkler als in den PKWs.
Auf einmal erstarrte er. In dem Auto bewegte sich etwas. Ein Mensch richtete sich auf.
Das musste er sich einbilden. Oder es holte jemand noch etwas, bevor das Autodeck schloss, so wie er selbst. Aber warum brannte dann kein Licht im Fahrzeug? Wie sollte man im Dunkeln etwas finden?
Aaro ging weiter und stellte fest, dass das Wohnmobil in Finnland zugelassen war. JCG 897.
Oder war hier ein Dieb am Werk? Müsste er das dem Personal mitteilen? Bis er aber jemanden gefunden hätte, wäre der Dieb längst verschwunden. Außerdem: Falls doch der Eigentümer im Wagen war, wäre der bestimmt nicht erfreut, wenn man ihm das Personal auf den Hals hetzen würde.
Aaro ging zur Tür des Autodecks und drückte auf den faustgroßen Knopf. Die mit Pressluft betriebene Schiebetür ging zischend auf, aber Aaro verließ das Deck nicht, sondern huschte geduckt zwischen den Autos auf die andere Seite und näherte sich den Wohnmobilen von dort.
Zwei Fahrzeuge vor dem Dethleffs blieb er stehen, leicht außer Atem. Das Wohnmobil machte einen verlassenen Eindruck. Aaro beobachtete es eine Weile, dann beschloss er zu gehen.
Gerade als er sich umdrehen wollte, ging die Seitentür des Dethleffs auf, und ein älterer Mann, dessen Hautfarbe Aaro nicht genau bestimmen konnte, kam heraus.
Aaro versteckte sich hinter einem PKW, konnte den Mann mit den grauen Locken aber durch die Fenster hindurch sehen. Der blickte sich um, schloss das Fahrzeug sorgfältig ab und ging zum Ausgang.
Falscher Alarm, dachte Aaro halb erleichtert, halb enttäuscht. Das war nur der Besitzer.
Langsam bewegte sich Timo in der Schlange am Buffet voran und lud sich den Teller voll, ohne an Kilojoule zu denken. Die LKW-Fahrer hinter ihm taten es ihm gleich.
»Nimm dir eine anständige Portion. Du bist schließlich ein Mann und kein Spatz«, sagte er zu Aaro, der ein bisschen Lachs, zwei daumengroße Kartoffeln und zwei, drei Erbsen auf seinem Teller arrangiert hatte.
Aaro
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