Ewige Nacht
zu tun, möglicherweise mit dem Überfall auf den Geldtransporter. Und jetzt hatte der Mann heimlich mit dem Fahrer des Wohnmobils getuschelt, obwohl sie so taten, als würden sie sich nicht kennen. Und derselbe Fahrer hatte sich noch nach Abfahrt des Schiffes auf dem Autodeck herumgetrieben.
Sicherheitshalber rief sich Aaro noch einmal das Autokennzeichen in Erinnerung. JCG 897.
Er setzte sich an den Tisch, trank von der Milch und dachte fieberhaft nach. Sollte er es seinem Vater sagen, oder meinte der es ernst mit der Internet-Quarantäne?
Er musste es sagen. Aber noch nicht. Zuerst wäre es sinnvoll, noch ein paar Dinge zu klären.
»Was ist jetzt los?«, fragte sein Vater, der einen Anstandsrest auf seinem Teller liegen gelassen hatte. Wenn Aaro das tat, hieß es, man dürfe sich immer nur so viel nehmen, wie man auch schaffe. Aber in der Welt der Erwachsenen galten nun mal die Regeln der Erwachsenen.
Und genau an diese Regeln gedachte sich Aaro jetzt zu halten.
»Was soll denn los sein?«
»Du siehst nachdenklich aus«, sagte Timo.
»Ich hab versucht, mir vorzustellen, wie es wäre, zwei Monate ohne Internet auskommen zu müssen.«
»Du solltest es mal probieren«, meinte Timo. »Würde dir gut tun. Zwei Monate ohne PC auch.«
»Einer in England durchgeführten Studie zufolge verfügt die Computerspiele-Generation über einen 20 Prozent höheren Intelligenzquotienten als ihre Eltern.« Aaro blickte zum Tisch der Kabinennachbarn und merkte, dass ihn der Mann anschaute. Sofort wandte der Mann den Blick ab. Hatte er etwas gemerkt? Natürlich nicht. Sie konnten von seinem Interesse nichts wissen. »Wer mit Technik umgeht, entwickelt sein logisches …«
»Danke für die Information. Aber iss jetzt mal auf, damit wir zum Nachtisch übergehen können.«
»Du hast doch selber nicht aufgegessen.«
Timo tätschelte seinen Bauch. »Ich habe Reserven. Du nicht.«
»Bald schon, wenn ich mich an deine Essvorschriften halte.«
Der Typ aus der Nachbarkabine stand vom Tisch auf und verließ den Speisesaal. Aaro mochte den Mann nicht.
Ralf wartete an der Ecke des Kabinengangs auf Sakombi. Von dieser Stelle aus konnte man beide Gänge im Auge behalten. Die Männer wechselten flüsternd einige Sätze, anschließend ging Ralf zum Büro des Pursers.
Das Interesse der Kabinennachbarn konnte ein harmloser Zufall sein, aber er musste auf Nummer sicher gehen, auch wenn damit ein kleines Risiko verbunden war. Mit einem kleinen Risiko konnte man unter Umständen ein großes vermeiden.
»Entschuldigung«, sagte er zu dem braun gebrannten Purser hinter der Informationstheke. »Ich hätte eine Nachricht für den finnischen Passagier aus Kabine 5020. Das ist meine Nachbarkabine. Der Herr hat dies hier im Speisesaal vergessen.« Ralf legte Sakombis Handy auf den Tisch. »Könnten Sie ihn vielleicht ausrufen …«
»Selbstverständlich.« Der Purser sah in seinem Computer nach und sagte halblaut: »Timo und Aaro Nortamo.« Anschließend drehte er sich zum Mikrofon um, das hinter ihm an der Wand angebracht war.
Im selben Moment kam Sakombi hinzu. »Da ist es ja! Ich habe nämlich mein Handy im Restaurant liegen lassen.«
»Ach, Ihnen gehört das?«, fragte Ralf.
Der Purser kehrte dem Mikrofon wieder den Rücken zu.
»Ich dachte, es gehört … Entschuldigen Sie den Irrtum«, sagte Ralf.
»Durchschnittlich drei Passagiere verlieren pro Fahrt ihr Telefon«, sagte der Purser lächelnd.
»Danke«, sagte Sakombi und verschwand mit dem Handy in eine andere Richtung als Ralf.
Ralf ging in seine Kabine und holte den Kommunikator aus der Tasche. Das Signal war schwach, darum stellte er sich mit dem Gerät in die große Halle ans Panoramafenster.
Die Internetverbindung war hoffnungslos langsam, aber schließlich hatte er die Startseite von Google auf dem Display. Er schrieb den Namen »Timo Nortamo« und klickte auf SEARCH .
Nach und nach erschienen die Suchergebnisse. Der Name war zu häufig.
Er fügte das Wort »Aaro« im Suchfeld hinzu. Auch diesmal wurde jede Menge Müll angespült, aber an vierter Stelle erschien ein interessanter Link: »Homepage von Aaro Nortamo … meine Lieblingsspiele … mein Computer … meine Hobbys …«
Unter »Meine Familie« stand fett gedruckt ein weiteres Wort: »Timo«.
Ralf klickte den Link an, und Aaros Homepage wurde geladen. Ein witziges, fast bis zur Unkenntlichkeit manipuliertes Bild des Jungen zierte die Startseite. Aber der Junge war derselbe, da bestand kein Zweifel.
Die
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