Ewige Nacht
fast mit dem großen Mann hinter ihr zusammengestoßen. Er lächelte freundlich, als er ihr Platz machte.
»Diese Magnetkarten sind nicht besonders sicher«, hörte Noora den Jungen referieren, den der Mann dabeihatte. »Die kann man ganz einfach fälschen …«
Ralf nahm seine Karte von Noora in Empfang, dann gingen sie stumm die Treppe hinauf und durch den Gang zu ihrer Kabine. Sie war groß, hatte ein Fenster und war sogar ganz ordentlich eingerichtet, wie ein Hotelzimmer der besseren Kategorie.
Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, baute sich Noora vor Ralf auf: »Jetzt rede ordentlich! Oder ich tue, was ich schon längst hätte tun sollen.« Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht mehr unterdrücken.
»Was meinst du damit?«
»Das wirst du schon sehen. Zuerst erzählst du mir, was ihr hinter meinem Rücken geplant habt.«
»Willst du mir drohen?«
»Nein. Ich habe meinen Part einwandfrei erledigt. Ich habe keine Fragen gestellt. Ich habe mich an einem Verbrechen beteiligt, für das ich eine lange Gefängnisstrafe bekomme, falls ich erwischt werde. Und du spielst jetzt an auf etwas ›Größeres‹. Ich will …«
»Pst!«, flüsterte Ralf und machte eine heftige Kopfbewegung zur Tür hin. Er legte Noora die Hände auf die Schultern und ließ sie langsam auf ihren Hals zugleiten. Noora wusste Ralfs Gesichtsausdruck nicht zu deuten, das machte ihr Angst. Nie zuvor hatte sie Angst vor Ralf gehabt.
Sie wollte sich aus seinem Griff lösen, aber er zog sie an sich und küsste sie heftig.
»Lass mich los«, sagte Noora mit erstickter Stimme.
Auf einmal ekelte sie sich vor Ralfs Berührung. Sie riss sich los, machte einen Satz zur Tür und ging auf den Gang hinaus. Dort sah sie sich demselben großen Mann gegenüber, mit dem sie schon an der Rezeption fast zusammengestoßen wäre.
Der Mann stocherte mit seiner Magnetkarte im Lesegerät an der Kabinentür nebenan herum und warf Noora einen Blick zu, der um Entschuldigung bat. Offenbar hatte er die Auseinandersetzung mitbekommen.
»Gib her«, seufzte der Junge neben ihm. »Die muss man bloß reinschieben und wieder rausziehen …«
Ralf erschien an der Tür, und Noora ging in ihre Kabine zurück, bevor er etwas sagen konnte.
Timo fummelte mit der Magnetkarte herum, doch die Tür öffnete sich nicht. Neben ihm fiel Nooras Kabinentür ins Schloss.
»O Mann, gib her!«, verlangte Aaro.
Timo machte eine scharfe Handbewegung, die Aaro zum Schweigen brachte. Er versuchte, etwas zu hören, aber es drang nur gedämpftes Murmeln aus der Nachbarkabine. Einzelne Wörter waren nicht zu verstehen. Vorsichtig ging er näher heran, wagte sich aber nicht unmittelbar an die Tür, denn womöglich hatte das Paar einen Komplizen an Bord.
In dem Moment regnete es bunte Smarties vor Nooras Kabinentür. Überrascht blickte Timo zur Seite und sah, dass sie aus der Tüte in Aaros Hand stammten.
»Was …«
»O nein!«, sagte Aaro zwinkernd und bückte sich, um die Bonbons aufzuheben. »Hilf mir mal.«
Erst da begriff Timo Aaros Absicht. Innerlich verfluchte er das Risiko, das der Junge provozierte, aber er konnte nicht abstreiten, dass die Idee gut war. Während er die Smarties aufsammelte, konnte er das Ohr fast an die Tür legen. Allerdings half das nichts. Die beiden da drinnen hatten ihre Stimmen gedämpft.
Heidi Klötz hatte vorgeschlagen, zwei Ermittler mit Abhöranlagen aufs Schiff zu schicken. Sie hatte keine Ahnung, welche Heiterkeit dieser Vorschlag bei der Zentralkripo ausgelöst hatte. Wo hätte man innerhalb von wenigen Stunden zwei Männer für anderthalb Tage abziehen sollen? Nach welchem Schlüssel hätte man die Abrechnung vornehmen müssen? Zumal sie wegen der späten Buchung für den Rückflug von Hamburg nach Helsinki Tickets für die Business-Class hätten kaufen müssen, das Stück für 720 Euro.
Nach Verhandlungen mit Wiesbaden war man zu dem Entschluss gekommen, dass eine Gruppe des BKA am Hafen in Travemünde die Überwachung der Verdächtigen übernahm. Bis dahin würde Timo die Lage im Auge behalten.
Er durfte also nicht das geringste Risiko eingehen. Auf keinen Fall durften die Verdächtigen ahnen, dass sie observiert wurden. Darum hob Timo die Smarties mit flinken Fingern und so leise wie möglich auf.
»Ich krieg die auch nicht auf«, sagte Aaro und schob die Magnetkarte ins Schloss, wieder mit einem Zwinkern.
»Jetzt mach schon!«, knurrte Timo.
Aaro öffnete die Tür, und sein Vater schob ihn übertrieben unsanft in
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