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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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schlimmer.
    »Langsam sickert das Blut in die Lunge des Patienten, und kurz darauf in Magen und Darm«, sagte Campbell sehr nüchtern. »Das Blut dringt ins Herz und in den Brustkorb ein. In der letzten Phase bluten die Haut und das Gewebe darunter, in gewisser Weise wird die Haut abgeschält.«
    Giraudo gab rasch die Bilder zurück und stand auf, in dem Versuch, die Aufmerksamkeit auf den hinter Campbell stehenden schockierten Kardinal zu richten.
    »Das Virus lässt die Hoden auf die Größe von Tennisbällen anschwellen, die Augäpfel füllen sich mit Blut, der Patient erblindet. Die Milz wird groß wie eine Orange. Die Leber löst sich auf. In der letzten Phase verkrampft sich der Patient so stark, dass …«
    »Doktor Campbell«, unterbrach Giraudo hustend. »Sind Sie katholisch?«
    »Nein … Was hat das damit zu tun?«
    29
    Am Ende einer kleinen Waldstraße in Grodenfeld bei Göttingen schloss Timo die Wagentür so geräuschlos wie möglich. Rechts von der Straße stieg ein bewaldeter Hang an. Vor sich hatte Timo einen kleinen, von Bäumen eingefassten Garten, hinter dem sich ein altes Haus mit steilem Dach erhob. Die moosbewachsene Ziegelabdeckung war mit Blechstücken ausgebessert worden.
    Mit dem Schlüssel in der Hand ging er auf das Haus zu. Die Schlüssel hatte er in Ralf Denks Wohnung in Göttingen gefunden, und er vermutete, dass sie zu dem Gebäude gehörten, dessen Wasserrechnung in der Schreibtischschublade gelegen hatte. Das war die einzige konkrete Ausbeute. Die Wohnung war spärlich möbliert, sie hatte eher an einen Schlafplatz als an ein Zuhause erinnert. Wahrscheinlich waren alle persönlichen Gegenstände beseitigt worden.
    Timo hielt den Schlüssel fest umklammert. In der windstillen, feuchten Luft war nur das Krächzen einer Krähe zu hören. Er wusste, dass er illegal handelte. Er hatte keinen Durchsuchungsbefehl, als TERA-Mitarbeiter hätte er den auch gar nicht bekommen. Darum mussten sich die nationalen Polizeibehörden kümmern.
    Aber ein kurzer Blick in das Haus würde niemanden stören. Die Fensterläden an der efeubewachsenen Wand waren geschlossen, nichts deutete darauf hin, dass in dem Haus jemand wohnte.
    Plötzlich knackte es. Timo fuhr zusammen und blickte sich um. Aber es war nichts zu sehen. Vielleicht ein Vogel im Gebüsch.
     
    Olow erstarrte hinter der Hausecke. Er war gerade angekommen, so wie Ralf es ihm befohlen hatte.
    Er hörte, wie dieser ungebetene Gast an die Haustür klopfte, und schlich in den hinteren Teil des Gartens zurück. Was sollte er tun? War der Typ ein Polizist in Zivil?
    Ralfs Auftrag war eindeutig gewesen: Das Haus sollte angesteckt werden. Olow schaute auf den Benzinkanister, den er neben der Hintertür abgestellt hatte. Es machte nichts, wenn man herausfand, dass es Brandstiftung war, hatte Ralf gesagt. Hauptsache, niemand erhielte die Gelegenheit, die Einrichtung zu durchsuchen.
    Und jetzt war jemand dabei, in das Haus einzudringen.
    Olow tastete nach dem Telefon in seiner Tasche und verzog sich hinter die dichte Hecke.
     
    Timo klopfte noch einmal. Keine Reaktion.
    An der Tür stand kein Name, auch nicht an dem Briefkasten. Zögernd schob er den Schlüssel ins Schloss und trat ein. Muffiger Geruch schlug ihm aus der Dunkelheit entgegen. Er machte die Tür hinter sich zu und tastete nach dem Lichtschalter.
    In dem Haus herrschte eine vollkommen andere Atmosphäre als kurz zuvor in der Stadtwohnung in Göttingen. Die kleinen Zimmer waren gemütlich und reich möbliert: alte Teppiche, Möbel und Ziergegenstände, viele Bilder an den Wänden, prallvolle Bücherregale vom Boden bis zur Decke.
    Eine Gemeinsamkeit war in der Fülle zu erkennen: Die meisten Ziergegenstände stammten aus Afrika. Timo hatte ähnliche Masken, Skulpturen und Textilien zuletzt im Afrikanischen Museum Tervuren am Rand von Brüssel gesehen, wo er gern Besucher aus Finnland hinführte, vor allem wegen des großen Parkgeländes. Das Museum selbst, ein Palast im Ludwig-XV.-Stil, den Leopold II. zum Königlichen Zentral-Afrika-Museum umfunktioniert hatte, war für Geschichtskenner ein Ort der Qual. Dort fand man Fischfanggeräte, Instrumente, Stanleys Mütze, Leopolds Spazierstock und ein Plakat mit den Namen von zweihundert weißen Männern, die ihr Leben verloren hatten, aber nicht einen einzigen Hinweis auf Fesseln, Maschinengewehre, Peitschen oder eine Million ermordeter Kongolesen.
    Timo zog Latexhandschuhe an und ging durch die Zimmer, um sich zu versichern, dass niemand im

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