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Ewige Schreie

Ewige Schreie

Titel: Ewige Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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einen Blick auf das Grab, wo sie das Gesicht ihres Vaters gesehen hatte.
    »Und jetzt?« fragte sie mit stockender Stimme.
    »Gehen wir zurück auf den Weg, um mit Pfarrer Facius zu sprechen«, erwiderte ich.
    Sie hob nur die Schultern. Ich hielt Helen an der Hand, als wir uns wieder durch das Gebüsch schoben. Die Strecke war kurz. Wir mußten nur die sperrigen Zweige zur Seite schieben. Ich wunderte mich, daß der Pfarrer nichts sagte, als wir aus dem Gebüsch traten, und nach einem weiteren Schritt hatte ich freies Sichtfeld.
    Father Michael Facius war verschwunden!
    ***
    Der Geistliche schaute dem Oberinspektor und dem Mädchen nach, bis das Gebüsch sie verschluckt hatte. Die Zweige fielen hinter ihnen zusammen wie ein dichter Vorhang, so daß von den beiden nichts mehr zu sehen war. Nur die Schreie hörte der Pfarrer noch, und sie waren schlimm genug, denn die malträtierten seine Ohren und die Nerven. Er hatte das Holzkreuz, das etwa die Größe eines Männerarms erreichte, gegen seinen Körper gepreßt. Mit beiden Händen hielt er es fest, wobei er die Finger über dem Holz zusammengelegt hatte, wie zum Gebet verschlungen.
    Der Pfarrer betete auch. Aus diesen Worten schöpfte er die größte Kraft, und nur so ließ sich das Grauen leichter ertragen. Der Pfarrer war nicht sehr groß, aber er besaß eine innere Größe, die er nun im Gebet bewies. Er schien über sich selbst hinauszuwachsen und legte all sein Vertrauen in die Hände eines Mächtigeren.
    An den Bergen hatte sich der Wind gesammelt. Er fiel hinunter in das weite Tal, erfaßte auch den Friedhof und spielte mit dem Haar des Geistlichen.
    Wie ein schwarz angemaltes Denkmal stand er auf dem Weg, das Kreuz fest umklammert, allen Stürmen zum Trotz, ein Vertrauensbeweis dem Herrgott gegenüber.
    Plötzlich störten ihn die Schreie nicht mehr. Auch nicht die Schwarze Magie, mit der dieser Friedhof ausgefüllt war. Er spürte, daß er im Endeffekt stärker war, daß die andere Seite nicht gewinnen konnte und es nicht durfte.
    Minuten vergingen.
    Plötzlich zuckte er zusammen, denn er hatte einen anderen Schrei gehört. Ein Schrei, der nicht zu den übrigen paßte. Er war irgendwie menschlicher, konnte sich steigern, wurde markerschütternd und war nicht so monoton und gleichmäßig wie die Schreie der Toten. Kalt lief es dem Geistlichen über den Rücken, als er daran dachte, daß sich außer Helen, Sinclair und ihm noch jemand auf dem Friedhof aufhalten könnte.
    Wirklich ein Mensch?
    Der Pfarrer bewegte sich. Er wollte erst dorthin laufen, wo John Sinclair mit Helen verschwunden war, dann jedoch sagte seine innere Stimme, daß es vielleicht falsch und für den Menschen zu spät sein könnte, wenn er den anderen erst Bescheid sagte. Also mußte er selbst nachschauen. Sein Blick bohrte sich in das Dunkel, und er glitt so weit den Weg hinauf, wie es eben möglich war.
    Pfarrer Facius konnte nichts erkennen. Zu dicht wucherte das Unkraut nicht nur auf den Gräberfeldern, sondern auch auf dem Hauptweg. An manchen Stellen hatte es sich so weit über den Weg gebeugt, daß sich die Zweige bereits berührten.
    Abermals hörte er den Schrei.
    Er blieb stehen, nickte und sah sich selbst bestätigt. Er hatte sich nicht getäuscht. Dieser letzte Schrei paßte nicht zu den Toten, den mußte ein Mensch ausgestoßen haben, der sich in Lebensgefahr befand. Aber wie weit war er noch entfernt?
    100 Yards oder nur die Hälfte? Er wußte es nicht, denn er schaute nicht nur geradeaus, sondern auch nach rechts und links, suchte nach Bewegungen unter dem dichten Grün des Buschwerks. Die sich heftig bewegenden Zweige konnten ihm vielleicht verraten, wo sich der Rufer befand.
    Der Geistliche wurde enttäuscht. Er lief den langen Weg durch, begleitet von den gräßlichen Schreien der Toten. Auch er war nicht mehr der Stärkste, das Alter forderte Tribut. Hinzu kam die Schwüle. An den Beinen schienen Gewichte zu hängen, er hatte Mühe, sie vom Boden zu heben, das Blut rauschte in seinem Kopf, der Atem ging schwer und keuchend, und er wurde immer langsamer.
    Zudem drückte das Kreuz. Jedes Gewicht war einfach zuviel, aber wie im Krampf hielt er es fest. Es war seine wertvollste Waffe, und die wollte er auf keinen Fall loslassen.
    So torkelte er nur mehr weiter, bis er das Ende des Hauptwegs erreichte. Und da sah er das offene Grab!
    Es lag auf der rechten Seite, und jemand hatte am Rand des Wegs die Büsche weggeschlagen, so daß das offene Grab am Beginn einer freien Fläche

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