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Ewiger Schlaf: Thriller

Ewiger Schlaf: Thriller

Titel: Ewiger Schlaf: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Fluss hatte, ging er auf die Gruppe Eichen zu, in deren Schatten Mallorys Grab lag. Selbst aus der Entfernung war es mit seinem imposanten schwarzen Marmor inmitten eines Felds aus schlichtem Weiß und Grau nicht zu übersehen. Waters ging links am Grab vorbei und folgte einem der schmalen Asphaltwege zwischen den zedernbestandenen Hügeln aufs Innere des Friedhofs.
    Lange Bärte aus Moos hingen von den Eichen, und rötlich-braune Blätter lagen im Gras verstreut. Der Pfad führte an reich verzierten schmiedeeisernen Zäunen vorbei, an Gräbern unbekannter konföderierter Soldaten und an zahllosen Metallplaketten mit der Aufschrift DAUERGRABPFLEGE . An manchen Tagen dröhnten Rasenmäher über den Friedhof, aber heute war alles still, bis auf das gelegentliche Rascheln des Windes in den Bäumen. Das Fehlen von Geräuschen steigerte seine Sinneswahrnehmungen. Der Wind zerrte mit unsichtbaren Fingern an seinem Hemd, aber es war sein emotionaler, nicht sein körperlicher Zustand, der seine Gedanken beherrschte.
    Er hatte Eve Sumner vor zwanzig Minuten verlassen, doch er glaubte ihre Nähe noch immer zu spüren. Die Verwirrung, die sie in ihm hervorrief, ging weit tiefer, als sein Verstand erklären konnte. Gegen seinen Willen hatte sie das Gefühl wieder zum Leben erweckt, das er in Mallory Candlers Gegenwart stets gespürt hatte. Er hatte keine Ahnung, welche subtilen chemischen Signale Liebende aussandten und wahrnahmen – Pheromone, oder wie Wissenschaftler sie heutzutage nannten. Doch wie sie auch hießen, zwischen Mallory und ihm hatte es sie gegeben, und Eve Sumner sandte genau die gleichen Signale aus. Und sie wusste es. Sie hatte gewusst, dass ihre bloße Gegenwart in einer Weise auf ihn wirkte, wie es ihr geheimes Wissen um seine Vergangenheit niemals vermocht hätte.
    »Es ist irgendeine Masche«, murmelte er, als Bilder von Mallory in seiner Erinnerung aufstiegen. »Es kann nicht anders sein.«
    Und doch – nachdem er das Immobilienbüro verlassen hatte, hatte er sich für einen kurzen Augenblick gefragt, ob Eve Sumner tatsächlich Mallory Candler sein könne. Ob Mallory den Überfall, bei dem sie angeblich gestorben war, irgendwie überlebt hatte. Die beiden Frauen hatten ähnliche Gesichtszüge; das war nicht zu leugnen. Und auch ihre Körper waren nicht unähnlich, obwohl Eve weniger feingliedrig wirkte als Mallory und auch ihre Gesichtszüge nicht ganz so zart waren. Doch Eve Sumner war höchstens 32 Jahre alt und sah zehn Jahre jünger aus; Mallory wäre jetzt 42. Was konnte es sonst für eine Erklärung geben? War Mallory vielleicht am Leben und half Eve, ihn zu täuschen? Das würde bedeuten, dass Mallorys vermeintliche Leiche falsch identifiziert worden war. Er hatte schon von solchen Fällen gehört. Nur dass es bei Mallory nicht geschehen war. Er wusste kaum Einzelheiten über ihre Ermordung, aber er wusste, dass ihr Gesicht wenig oder gar nicht entstellt gewesen war, weil man Mallory entgegen ihrem oft geäußerten Wunsch mit offenem Sarg aufgebahrt hatte. Die Eitelkeit der Eltern hatte über die Loyalität zu ihrer Tochter gesiegt – und dieses eine Mal hatte Mallory nicht mit ihnen diskutieren können.
    Waters starrte einem Schatten hinterher, der sich bewegte; dann duckte er sich, um einem schnellen, klopfenden Geräusch über seinem Kopf auszuweichen. Als er sich wieder aufrichtete, sah er eine große schwarze Krähe auf einem Ast dicht über ihm. Ein Weibchen, vermutete er. Sie musste ein Nest in der Nähe haben. Aber der Herbst war nicht die Jahreszeit zum Nisten. Die Krähe starrte zurück – im Profil, und ein einzelnes Auge blinzelte dem Mann, der allein auf dem schmalen Weg stand, träge zu. Waters wandte den Blick vom Vogel ab und bemerkte, dass er praktisch im Schatten des großen Kreuzes auf Catholic Hill stand. Das reich verzierte, gut fünf Meter hohe Denkmal markierte einen der geheimen Treffpunkte, die Mallory und er benutzt hatten, bevor ihre Affäre in der Stadt bekannt wurde.
    Catholic Hill war eigentlich kein richtiger Hügel; vorn war er nur ein paar Meter hoch, doch auf der Rückseite, wo brüchiges Mauerwerk die alten Gräber einfasste, fiel er an manchen Stellen bis zu dreißig Meter tief ab. Zwischen dieser Wand und dem überwucherten Hohlweg dahinter befand sich ein schmaler Streifen Gras, vielleicht fünf Meter breit, auf dem ein Pärchen an heißen Tagen verborgen vor den Augen der Friedhofsbesucher im Schatten liegen konnte. Das einzige Risiko, entdeckt zu werden,

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