Ewiger Schlaf: Thriller
gebadet haben?«
Waters’ Haut wurde kalt.
»Wir könnten auch zum Friedhof gehen. Hinter den Catholic Hill, wo das große Kreuz steht.«
»Stopp!« Er merkte, dass er geflüstert hatte, dass er jetzt ebenfalls zu verhindern suchte, dass die Leute draußen ihren Wortwechsel hörten.
Eve lehnte sich über den Schreibtisch. Ein Hauch von Parfüm wehte zu ihm herüber, als ihre Seidenbluse sich weit öffnete und eine tiefe Spalte zwischen ihren Brüsten enthüllte. »Beruhige dich, Johnny. Es ist alles in Ordnung.«
Waters erschauerte, auf so vertraute Art sagte sie seinen Namen.
»Du musst dich nur daran gewöhnen«, fuhr sie fort. »Es ist wirklich einfach, sobald du es einmal verstanden hast. Wie alle profunden Dinge. Wie die Schwerkraft.«
»Hören Sie zu«, zischte Waters. »Ich will Sie nicht wiedersehen. Ich will nicht, dass Sie mich anrufen. Wenn Sie in die Nähe meiner Tochter kommen, werde ich Sie verhaften lassen. Und wenn Sie versuchen, ihr wehzutun ...«
Eve öffnete den Mund in gespieltem Erschrecken. »Was dann? Wirst du mich töten?«
»Das haben Sie gesagt, nicht ich.«
»Aber du hast es gedacht.«
Er hatte es tatsächlich gedacht, so bedrohlich empfand er die Gegenwart dieser Frau. »Ja, stimmt. Also, jetzt kennen Sie die Regeln.«
Wieder das spöttische Lächeln. »Ich habe mich noch nie groß um Regeln geschert, nicht wahr, Johnny?«
Er musste aus diesem Büro heraus. Als er um den Schreibtisch ging, rechnete er beinahe damit, dass sie ihn aufhielt, doch sie tat es nicht. Sie trat zur Seite und beobachtete ihn, ließ ihre Augen alles sagen. Er verspürte einen beinahe körperlichen Ruck, als er den Blickkontakt abbrach, und dann war er wieder in dem Großraumbüro, stürmte vorbei an den starrenden Immobilienmaklern und hinaus auf den sonnenbeschienenen Parkplatz.
Die Vertrautheit seines Land Cruisers erschien ihm auf seltsame Art tröstlich. Er ließ den Motor an und fuhr auf die Umgehungsstraße in Richtung Brücke. Als er rechts in die Canal Street abbog, auf sein Büro zu, hämmerte er Coles Nummer in sein Mobiltelefon. Sybil hob ab und stellte ihn gleich durch.
»Was ist, John?«, fragte Cole. »Geht es Annelise gut?«
»Ja. Aber ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust. Hast du immer noch ein gutes Verhältnis zu deinen Jura-Kommilitonen in New Orleans?«
»Mehr oder weniger.«
»Sie beschäftigen Privatdetektive, nicht wahr?«
»Sicher.«
»Ich möchte eine Kopie von Mallorys Sterbeurkunde.«
Bedeutungsschwangere Stille.
»Außerdem möchte ich die Zeitungsausschnitte über den Mord sehen. Times-Picayune, Clarion-Ledger – jede Zeitung, die darüber berichtet hat. Und wenn möglich, möchte ich mit dem Beamten der Mordkommission sprechen, der in dem Fall ermittelt hat.«
Weiterhin Stille. Dann sagte Cole: »Okay, Rock. Ich glaube zwar, dass du verrückt geworden bist, aber wenn du es so willst, sollst du es so haben.«
»Und ich möchte alles, was über Eve Sumner zu finden ist. Alles. Zieh sämtliche Register.«
»Was hat sie dir erzählt? Hast du sie gesehen?«
»Ich ruf dich heute Abend an und erzähl es dir.«
»Kommst du nicht wieder ins Büro?«
Waters hatte eigentlich vorgehabt, wieder arbeiten zu gehen, doch er war schon an der Abzweigung der Hauptstraße vorbei und befand sich auf dem Weg in den Norden der Stadt. »Kannst du den Rest des Tages für mich übernehmen?«
»Kein Problem, Amigo.«
»Danke. Und wegen des Darlehens ...«
»Vergiss es, Mann. Ich hätte dich nicht fragen sollen.«
»Unsinn. Ich stelle dir morgen Früh einen Scheck aus.« Lily würde ihn dafür umbringen, aber sie musste es ja nicht wissen.
»Danke, Kumpel«, sagte Cole leise. »Du ahnst nicht, was für einen Gefallen du mir damit tust.«
»Ich habe so ein Gefühl, als ahnte ich es doch. Und wenn du dich irgendwann danach fühlst, erzählst du mir, was eigentlich los ist, ja?«
Cole gab ein unverbindliches Schnauben von sich, und Waters legte auf.
Drei Minuten später fuhr er die Friedhofsstraße entlang und blickte auf den Steilhang am Fluss. Am dritten Tor des Friedhofs bog er ab. Er wusste selbst nicht genau, warum er hierher zurückgekommen war. Die weite flache Landschaft und die Stille dieses Ortes hatten ihn schon immer hierher gezogen, wenn er über etwas nachdenken musste, aber heute hatte ihn etwas anderes herbeigelockt. Er parkte auf dem Gipfel von Jewish Hill, doch statt zum Rand der flachen Kuppe zu laufen, von dem man einen atemberaubenden Blick über den
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