Ewiger Schlaf: Thriller
Sklavenquartieren und fiel auf das Bett, das er dort stehen hatte. Als er am Nachmittag aufwachte, war Lily fort. Sein Mobiltelefon zeigte vierzehn Anrufe, alle von Telefonzellen. Er wusste, wenn er nicht bald zurückrief, würde Eve persönlich in seinem Büro oder bei ihm zu Hause auftauchen – genau wie Mallory es getan hätte.
Als er zu seinem Büro fuhr, klingelte das Telefon. Wieder zeigte die Nummer einen öffentlichen Apparat. Waters nahm den Anruf entgegen.
»Heute Abend«, sagte Eve kurz angebunden.
»Ich ... äh ...«
»Du willst mich nicht mehr?«
»Doch, natürlich.«
»Ich weiß, dass ich dich erschreckt habe, Johnny, und dass ich zu schnell vorgehe. Es ist nur ... ich habe so lange gewartet, und ...«
»Ich weiß«, unterbrach er sie, obwohl er gar nicht sicher war, was er wusste. »Hör mal, willst du mit dieser Mallory-Geschichte weitermachen? Mit all den schmerzhaften Dingen aus der Vergangenheit?«
»Nein. Ich schwöre bei Gott. Kein Gerede mehr. Lass uns wieder zu dem zurückkehren, was wir können. Ich will dich in mir.«
Selbst wenn es eine Lüge war, betäubten ihre Worte seine Ängste wie Valium.
»Wir könnten es jetzt gleich tun«, flüsterte sie. »Ich bin bereit ... Du weißt ja, wie ich dann bin.«
Bilder blühten wie Nachtblumen in seinen Gedanken auf: Eves dunkles Haar, wie es über ihre Schulterblätter fiel, das Rinnsal aus Schweiß, das ihre Wirbelsäule hinunterrann, ihr Mund, wenn sie knurrte, auf diese seltsame Art, nicht ganz Mensch und nicht ganz Tier ...
»Nicht jetzt«, flüsterte er. »Heute Abend.«
»Heute Abend«, sagte sie. »Versetz mich nicht, Johnny.«
»Werde ich nicht.«
Regen peitschte in silbernen Streifen gegen Wände und Fenster des Eola, rosa eingefärbt von den Straßenlaternen, während Waters seinen Land Cruiser die Main Street hinunter in Richtung des alten Hotels fuhr. An der Ecke Main und Pearl Street bog er rechts ab – und ihm stockte der Atem. Von der Kreuzung Pearl und Franklin Street, einen Block weiter nördlich, warfen Blaulichter von Polizei- und Rettungswagen bogenförmige Lichtkegel über die Straße. Es war ganz nahe an der Stelle, wo Waters normalerweise parkte. Er trat auf die Bremse und sah, dass ein alter Pontiac einen Kranlaster der Mississippi-Stromwerke gerammt hatte. Waters fragte sich, ob er langsam am Unfallort vorbeifahren und weiter entfernt parken sollte als sonst, doch irgendetwas bewog ihn anzuhalten. Vielleicht war es der Gedanke, dass Detective Tom Jackson sich neulich an seinen Wagen erinnert und ihn angehalten hatte. Auf jeden Fall versperrten die Polizei- und Rettungsfahrzeuge den größten Teil der Kreuzung, und niemand am Unfallort schien Waters zu bemerken, als er mit dem Land Cruiser zurückstieß und auf der Main Street und in Richtung Fluss weiterfuhr.
Er passierte die Bars rund um das Eola und sah durch den vom Neonlicht erhellten Regen die Silhouetten mehrerer Gäste. Er bog links ab auf den South Wall, dann fuhr er wieder links und parkte auf dem Stellplatz einer Anwaltskanzlei an der South Pearl Street. Er hatte einen Schirm dabei, der aber so gut wie nutzlos war. Der Regen toste in einem 45-Grad-Winkel vom Himmel und durchnässte Waters’ Mantel und die Hose. Als er über die Main Street rannte, benutzte er den Schirm, um sein Gesicht vor möglichen neugierigen Gästen der Bars zu verbergen.
Trotz der späten Stunde trat er durch die Hoteltüren ein wie ein Geschäftsmann, der zu einem Termin spät dran ist. Die Glocke klang durch die weitläufige Lobby, und Waters hörte, wie der Stuhl des Wachmanns über den Boden kratzte, doch wie üblich sprach ihn niemand an. Er stieg die Treppe zum Zwischengeschoss hinauf und drückte den Aufzugknopf. Während er wartete, unterdrückte er den Wunsch, einen Blick übers Geländer des Zwischengeschosses zu werfen; dann nämlich konnte der Rezeptionist ihn sehen, der rechts unterhalb von ihm stand. Der uralte Aufzug schien jedes Mal eine Ewigkeit zu brauchen. Als Waters das Geräusch ächzender Kabel hörte, hoffte er inständig, dass die Kabine leer war, wie an den meisten Abenden, an denen er hierher gekommen war.
Sie war leer.
Er erreichte die Tür der Suite, ohne eine Menschenseele zu sehen oder – zumindest hoffte er es – von irgendwem gesehen zu werden. Doch als er den Türknauf drehte, hatte er eine beunruhigende Vorahnung, wie vor zwei Wochen, als er zum ersten Mal die Tür von Bienville geöffnet hatte. Die Nerven, dachte er. Schluck es runter.
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