Ewiger Schlaf: Thriller
Sehkraft. Er fürchtete, ohnmächtig zu werden, und ließ sich nach vorn fallen, drückte Eve unter sich auf die Matratze. Ihre Fingernägel gruben sich in seinen Oberarm, und der plötzliche Schmerz ließ ihn die Augen öffnen.
Eve starrte ihn an, als hätte sie keine Ahnung, wo sie war. Ihr Mund war zu einem O erstarrt, was er als Zeichen eines versiegenden Höhepunkts interpretierte. Als sie begann, mit den Armen um sich zu schlagen, nutzte er seine letzte Energiereserve, um ihre Erregung auf ein Höchstmaß zu steigern, und stieß wie ein Besessener in sie hinein. Wäre er nicht so völlig absorbiert gewesen – oder seine Partnerin eine andere Frau –, hätte er vielleicht bemerkt, dass es eine jener Situationen war, von denen die Frau später sagt, dass sie aufhören wollte und der Mann sich weigerte. Doch die Vorstellung, dass Eve den Sex in medias res unterbrechen wollte, war völlig abwegig. Ihre Schreie der Ekstase waren nicht von denen des Schmerzes zu unterscheiden. Doch dieses Mal liefen ihr Tränen aus den Augen.
Ihre Bewegungen wurden abgehackt, als hätte sie einen Anfall und keinen Orgasmus. Doch in dem Augenblick, als Waters’ Hirn diesen Zweifel registrierte, trieben ihre krampfartigen Bewegungen ihn bereits an jenen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Alles, was von seinem bewussten Verstand übrig blieb, schoss über Lichtjahre von Raum und Zeit hinaus, während das Tier in ihm sich zuckend in sie ergoss. Eves Bild verblasste, flackerte, und dann wurde alles schwarz.
Als er erwachte, lag er mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett und zitterte wie ein nasser Hund. Irgendwann während seines Schlafs hatte der Wind Regen über den Balkon und in die Suite getrieben. Das Bett war völlig durchnässt, und er mit ihm. Er lag noch halb auf Eve – die Hüften zwischen ihren Beinen, sein Oberkörper rechts von ihrem. Er versuchte, die nassen Betttücher abzuziehen, aber das verdrehte Laken war unter ihr eingeklemmt.
»He«, sagte er. »Wach auf.«
Noch bevor die Stille sich zu einer Ewigkeit dehnte, bemerkte er, dass mit ihrer Haut etwas nicht stimmte. Sie fühlte sich kaum wärmer an als die triefenden Betttücher. Er zuckte zurück.
Zuerst konnte er es nicht ertragen, sie anzublicken und seine Hirnrinde bestätigen zu lassen, was sein Rückenmark bereits wusste. Er kniete neben dem Bett nieder, streckte die Hand aus und legte die Spitze seines Zeigefingers unter ihren Kieferknochen. Kein Puls schlug unter der bläulichen Haut; da war nur eine wächserne Elastizität, die mit dem zarten, rosafarbenen Gewebe, das er vor kurzem noch geküsst hatte, nichts mehr gemein hatte – weiche Haut, von pulsierenden Nerven und sauerstoffreichem Blut mit Leben erfüllt.
Im Tod sah Eve so alt aus, wie sie war. Die Brüste, die Lilys Neugier erweckt hatten, lagen jetzt flach auf ihrem Oberkörper, schlaffe, halb mit Wasser gefüllte Beutel. Ihr Gesicht war lebloser als das einer Statue, denn Statuen werden geschaffen, um den Anschein der Lebendigkeit zu erwecken, und Eve hatte jede Ähnlichkeit mit dem Leben verloren. Ihr Mund hing offen, als würde sie nach Luft schnappen, und rund um ihre Augen befanden sich kleine Nadelstiche aus dunklem Blut.
Bei diesem Anblick kam plötzlich die Erinnerung – die Erinnerung an einen Film oder Roman. Sie sagte Waters, dass solche kleinen Blutungen so genannte Petechien waren, Blutpunkte, die auf Erdrosseln hinwiesen.
Er betrachtete Eves Hals.
Die Haut dort war blaurot angelaufen; es gab Druckstellen und Abschürfungen. Eve war erdrosselt worden. Diese Erkenntnis führte zu einer weiteren – Ich war mit ihr allein –, und ein Übelkeit erregendes Schwindelgefühl überfiel ihn. Er stolperte ins Bad und leerte den Inhalt seines Magens in die Toilette. Krämpfe schüttelten seinen Körper bis in die Leistenmuskeln.
»Großer Gott«, krächzte er und umarmte das Toilettenbecken.
Er stand auf, wusch sich das Gesicht und ging zurück ins Schlafzimmer. Tausende irritierender Gedanken überfielen ihn, doch das Rechenzentrum seines Hirns wusste, dass er nur eins tun konnte. Er nahm einen nassen Badezimmervorleger und wischte systematisch jede Oberfläche in der Suite ab, die er möglicherweise berührt hatte. Wenn er innehalten und darüber nachdenken würde, was er tat, würde er vielleicht den Telefonhörer abnehmen und die Polizei anrufen. Aber da er auch an Lily und Annelise denken musste, konnte er das nicht riskieren.
Nachdem er den Raum abgewischt hatte, suchte
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