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Ewiger Schlaf: Thriller

Ewiger Schlaf: Thriller

Titel: Ewiger Schlaf: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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und die Vorboten des Winters rückten näher. Im belebenden Wind fühlte Waters’ Körper sich betäubt an, als gehöre er nicht ihm. Ein Gefühl der Unausweichlichkeit durchdrang sein Bewusstsein – die finstere Gewissheit, dass letzte Nacht, während er im Hotelzimmer gewesen war, weit entfernte Sterne ihre Position gewechselt und sein Schicksal für immer verändert hatten, und dass die Mühlsteine der Götter sich in Bewegung setzten, um einen weiteren Sterblichen zu zermalmen.
    Sein Zeitgefühl hatte ihn völlig verlassen. In den zwei Wochen seiner Affäre mit Eve war es ihm schwer gefallen, den Überblick über die Wochentage zu behalten, vor allem wegen des Schlafmangels. Als er nach seiner Flucht aus dem Eola nach Hause zurückkehrte, musste er den Land Cruiser an der Einfahrt stoppen und die Zeitung mitnehmen, um nachzusehen, welcher Tag heute war. Seine letzte zusammenhängende Erinnerung hatte er an den Dienstag, doch die oberste Zeile der Zeitung sagte ihm, dass Donnerstag war. Er fühlte sich wie ein Koma-Patient, der aufwacht und sich in einem anderen Jahr wiederfindet als das, in dem er den Unfall hatte, der ihn ins Krankenhaus brachte. Waters hatte sich in einem Traum verloren und war in der Angst wieder erwacht. Kalte, Schwindel erregende Angst. Jetzt beherrschte alles, das er wie Plastikjetons aufs Spiel gesetzt hatte, seine Gedanken mit erschütternder Klarheit.
    Er wusste immer noch nicht genau, was in der letzten Nacht geschehen war. Er fühlte sich wie der unglückselige Senator, der in Der Pate II mit einem lachenden Mädchen ins Bett geht und neben einer toten Hure aufwacht. Nur dass in der realen Welt kein Tom Hagen zur Rettung herbeieilt und dafür sorgt, dass alles wieder ins Lot kommt. In der realen Welt blieb man mit seinem Entsetzen und seinen Schuldgefühlen allein: mit dem verzweifelten Wunsch, mit einem anderen Menschen zu sprechen, und zugleich mit der Angst, dass jede Beichte – sogar gegenüber einem Priester – letztlich in der vergitterten Hölle des Parchman-Gefängnisses enden würde, an einen gepolsterten Tisch gefesselt, wo Mediziner in weißen Kitteln einem eine Nadel in den Arm stechen und einen in die Hölle schicken.
    Trotz dieser Ängste funktionierte Waters’ Hirn im Überlebens-Modus weiter, wie ein Soldat mit einem abgeschossenen Arm noch klar genug denken kann, um nach seinem Körperteil zu suchen und ihn mit ausdruckslosen Puppenaugen zum Sanitätszelt zu tragen – gesteuert von einem Instinkt, der ihn noch antreibt, wenn seine Hirnfunktionen längst abgeschaltet haben. Waters war ziemlich sicher, dass ihn niemand aus dem Hotel hatte kommen sehen. Der Wachmann hatte geschlafen, und das tosende Gewitter hatte die Straßen leergefegt. Als Waters über die Main Street zu seinem Auto rannte, sah er in der Ferne eine Gestalt nahe beim Steilhang, einen Mann, der mit einem Schirm neben seinem pinkelnden Hund stand, doch Waters glaubte nicht, dass der Mann ihn gesehen hatte. Selbst wenn – erkennen konnte er Waters aus dieser Entfernung nie und nimmer.
    Auf der Fahrt nach Hause überlegte er sich kurz, in Eves Haus einzubrechen, um dort nach möglichen Hinweisen zu suchen, die ihn belasten könnten. Die Chancen, dass es solche Hinweise gab, waren ziemlich hoch, aber er war noch nie bei ihr zu Hause gewesen. Wenn er dabei beobachtet wurde, wie er einzubrechen versuchte, besonders in dieser Nacht, wäre das sein Ende, selbst wenn es im Haus keine Beweise gab.
    Als er in die Einfahrt fuhr, bemerkte er, dass das Licht in der Küche brannte. Es war nicht an gewesen, als er am Abend losgefahren war. Beunruhigt parkte er den Land Cruiser neben dem Haus und lief um die Seite zu den Sklavenquartieren. Von dort konnte er über die Veranda in die hinteren Fenster des Haupthauses schauen. Er sah Lily nicht umherlaufen, und das Schlafzimmer war noch dunkel. Eine Stunde lang starrte er auf die Fenster. Währenddessen liefen die Ereignisse der vergangenen zwei Wochen wie ein surrealistischer Film in seinem Kopf ab, unterschnitten mit den grauenvollen Standbildern von Eves leblosem Körper.
    Als das Schlafzimmerlicht schließlich aufflammte, ging er ins Haus und setzte Kaffee auf; dann schlenderte er ins Schlafzimmer, um nach Lily zu sehen. Sie war gerade im Bad. Von der halb offenen Tür aus fragte er, wie sie geschlafen hatte.
    »Nicht gut«, sagte sie müde. »Und du?«
    Er hielt inne, wartete auf einen Hinweis, ob sie letzte Nacht etwas gesehen hatte. Es kam keiner. »Ich konnte

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