Ewiger Schlaf: Thriller
Zucken bemerken. Er ging wieder zur Tür und schloss sie; dann kam er zurück und setzte sich Waters gegenüber an den Schreibtisch.
»Was ist los?«
Cole atmete tief ein und seufzte. »Hier spricht dein Partner, John. Wir kennen uns schon lange, stimmt’s? Sehr lange.«
»Stimmt.«
»Warst du letzte Nacht bei Eve?«
»Eve Sumner?« Waters blinzelte nicht. » Aber nein.«
Cole nickte bedächtig. »Du warst zu Hause bei Lily?«
»Natürlich.«
»Die ganze Nacht?«
Waters schwieg.
»Denn wenn du es nicht warst«, fuhr Cole fort, »wenn du ... sagen wir, alleine warst und glaubst, dass es für bestimmte Menschen nicht gut aussehen könnte? Nun, Jenny ist letzte Nacht früh ins Bett gegangen. Sie hat eine Schlaftablette genommen. Also habe ich den größten Teil der Nacht HBO geschaut und Wild Turkey getrunken.«
Waters’ Mund war trocken geworden. »Und?«
»Ich will damit nur sagen, wenn es zu irgendeiner ... Sache kommt, wenn es aus irgendeinem Grund nötig sein sollte, dass du letzte Nacht bei mir warst ... dann warst du bei mir. Capisce? «
Obwohl er unter schrecklichem Druck stand, senkte sich eine tiefe Ruhe über Waters. Er hatte schon immer die Gabe besessen, in schlimmen Situationen das Wesen einer bestimmten Lage zu erfassen. Das hatte ihm in den Jahren, als er Vulkane erforscht hatte, mehrmals das Leben gerettet – wie auch in der Zeit mit Mallory. Als Cole ihm jetzt gegenübersaß und ihn eindringlich musterte, wurden Waters zwei Dinge klar. Erstens hatte Cole ihm das Alibi angeboten, das er brauchte, falls er des Mordes an Eve verdächtigt würde. Wenn Cole schwor, dass Waters die Nacht bei ihm zu Hause verbracht hatte, ließ es sich erklären, dass Waters’ Sperma sich in Eves Leiche befand. Ja, er hatte an diesem Tag mit ihr Sex gehabt, aber nachts war er nicht einmal in der Nähe des Eola Hotels gewesen. Es würde einen Skandal geben, und vielleicht würde es sogar das Ende seiner Ehe bedeuten, aber es würde ihn wahrscheinlich vor dem Gefängnis bewahren, und dann hätte er eine Chance, seine Familie zu retten. Trotzdem – und das war der entscheidende Vorbehalt: Wenn er Coles Angebot akzeptierte und sich auf das Alibi verließ, würde er sein Leben in die Hände seines Partners legen. Cole würde ihn besitzen, jetzt und für immer.
»Du hast wieder diesen Blick«, sagte Cole.
»Was für einen Blick?«
»Diesen Tief-in-der-Scheiße-Blick.«
Waters kannte Cole, seit er vier Jahre alt war. Sie hatten die Reibereien erlebt, die in jeder Freundschaft entstehen, intensiviert durch die Spannungen einer Geschäftspartnerschaft, aber Cole hatte Waters niemals wirklich hintergangen. Doch offener Verrat war auch nicht Waters’ Sorge. Was ihm Sorge bereitete, war Schwäche. Cole hatte Laster. Das galt für fast alle Männer, doch Cole fiel es besonders schwer, Versuchungen zu widerstehen. Er trank, spielte und jagte Frauen hinterher, und er konnte nicht mit Geld umgehen. In seiner Jugend hatte er sich gut darauf verstanden, Dinge für sich zu behalten, aber in letzter Zeit hatte sich sogar diese Tugend verschlissen.
»Lass mich dir helfen, Rock«, sagte Cole leise. »Jeder braucht manchmal ein bisschen Hilfe.«
»Ich nicht«, sagte Waters und war sich plötzlich sicher. »Aber danke für dein Angebot.«
Er sah die Enttäuschung in den Augen seines Partners. Das war die Natur des Menschen: Wenn wir schwach sind, tröstet es uns zu wissen, dass andere ebenfalls Schwächen haben. Doch Waters konnte es sich nicht leisten, seine Schwächen zu offenbaren. Nicht Cole gegenüber. Wenn er einen Beichtvater brauchte, würde er ihn sehr sorgfältig auswählen müssen.
»Ich muss jetzt an der Karte arbeiten«, sagte er. »Die, wegen der du mich letzte Woche gedrängt hast.«
Cole nickte, stand aber nicht auf. »Überleg es dir gut, Rock. Denn wenn du einmal eine Abzweigung eingeschlagen hast, ist es nicht immer möglich, zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Verstehst du?«
»Es geht mir gut«, versicherte Waters. »Mach dir keine Sorgen.«
Cole sah alles andere als überzeugt aus, doch er stemmte sich aus dem Stuhl und ging zur Tür. Bevor er das Büro verließ, drehte er sich noch einmal um und machte einen spöttischen Salut, der zu besagen schien: »Ich habe mein Bestes getan. Du bist auf dich allein gestellt. Viel Glück.« Dann ging er hinaus.
Den Rest des Tages verbrachte Waters in einer zusammenhanglosen Abfolge dämmerartiger Zustände, die von Telefonaten unterbrochen wurden. Irgendwann
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