Ewiger Schwur
sorgen. Verdammt, er hatte es geschworen, aber es steckte noch mehr dahinter. Es war, als gäbe es emotionale Bande, die seine Seele immer fester an ihre knüpften. Zum ersten Mal seit seinem Sturz machte es ihm nichts aus. Zum ersten Mal wollte er nicht gegen die Ungerechtigkeit des Ganzen toben oder die Schachfiguren in seinem komplizierten Rachespiel bewegen.
Er empfand einen gottverdammten
Frieden.
Sie war ihm unter die Haut gegangen, hatte etwas mit ihm gemacht.
Also würde er sie verführen, wenn das nötig war, um an diesem Gefühl festzuhalten. Er würde sie nicht gehen lassen. Er konnte es nicht.
Das war richtig.
Sie würde lernen, mit ihm zu leben, weil sie es musste. Bei diesem Gedanken umspielte ein Lächeln seine Mundwinkel. Wie weit konnte er sie heute treiben? »Wenn ich du wäre« – er hob ihre Hand an seine Lippen, sodass seine Zunge die süße Haut ihrer Knöchel kosten konnte –, »würde ich mir Sorgen machen, dass ich zu viel bezahlt habe.«
Er ließ das Schweigen den SUV ausfüllen, bis er der Versuchung nicht länger widerstehen konnte, und er sah erneut zu seiner Partnerin hinüber. Sie war eingeschlafen, als sei ihr Gespräch bloß ein vorübergehendes Echozeichen auf ihrem emotionalen Radar gewesen. Ihr Atem ging sanft, und Traumgedanken rankten sich von ihr zu ihm. Sie entspannte sich, wenn sie schlief. Die elegante, disziplinierte Pose war vollkommen verschwunden. Sie hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und war eingeschlafen.
Er hatte keinerlei Grund, dagegen Protest einzulegen. Denn ja, er hatte sie gestern Nacht wach gehalten. In ihrem Bett war nicht viel geschlafen worden. Trotzdem, jetzt konnte er sie ansehen. Konnte den dunklen Kranz von Wimpern mit den Augen trinken, die auf der bleichen Haut ihres Gesichtes ruhten. Er griff nach ihrer Hand. Er wollte sie spüren.
Während er die weiche Haut ihrer Hand genoss, fuhr er weiter, trank das glatte Band der Straße und das leisere Schnurren des Motors in sich hinein. Nichts, niemand lebte hier draußen. Die Landschaft, wenn man M City verließ und auf die Steppen zufuhr, bestand lediglich aus dichten Wäldern und gelegentlich einer Ruinenstadt.
Und aus Stille. Nicht das geringste Geräusch – außer dem leisen Hauch von Mischkas Atem und dem Flüstern der Reifen auf dem Pflaster.
Allein ihre Nähe war beruhigend. Der Durst, begriff er mit einiger Überraschung, war eher ein angenehmer Schmerz als eine wütende Gier.
Friede, befand er, war ein seltsames Gefühl. Und Psychoanalyse ätzend. Stattdessen gestattete er sich, einfach zu fahren, während seine Finger sanft über die nackte Haut ihres Handgelenks strichen und einen Augenblick auskosteten, der unmöglich ewig andauern konnte.
17
Die Landschaft war eine Erfahrung für sich. Mit den Hochgeschwindigkeitszügen, deren Bau ein ehrgeiziger Präsident vor einigen Jahrzehnten genehmigt hatte, benötigte man jetzt nur noch einen einzigen Tag, um M City zu erreichen. Da die meisten Passagiere Karten für ein Privatabteil lösten, mussten sie nicht mit den anderen kommunizieren. Das Zugpersonal hängte die Abteile an oder kuppelte sie ab, wenn der Zug in den Bahnhof einfuhr. Für sein Geld erwarb man eine Box aus Glas und Stahl von etwa anderthalb mal zwei Metern, mit zwei Liegen und einem kleinen, verglasten Bullauge, durch das man die vorbeifliegende Landschaft betrachten konnte.
Bequem. Effizient. Zugegeben, eine Spur zu steril.
Gerade jetzt wäre Mischka eine solche Sterilität lieb gewesen. Sie war aus einem Nickerchen erwacht, beunruhigt durch schockierend sinnliche Träume. Und Brends zu beobachten, wie er den SUV lenkte, trug nicht das Geringste dazu bei, ihr Blut abzukühlen. Seine massigen Hände umspielten das Lenkrad des Wagens ebenso sinnlich und effizient, wie er in der vergangenen Nacht mit ihrem Körper gespielt hatte. Männliche Macht. Als er den Wagen durch ein besonders großes Schlagloch in der Straße lenkte, rutschte die Manschette seines Hemds hoch, und es zeigte sich ein Anflug der schwarzen Wirbel um sein Handgelenk. Niemand war mehr für den Unterhalt dieser Straßen zuständig.
Das GPS war verstummt, als sie M City vor sechs Stunden hinter sich gelassen hatten. Es war unmöglich, die Straße hier draußen zu verlieren, einen Katzensprung von der Stadt entfernt, obwohl sie den Verdacht hatte, dass man alle möglichen anderen Dinge hier verlieren konnte. Angefangen mit dem Leben. Zum Glück für ihren Seelenfrieden war der SUV wie ein Panzer
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