Ewigkeit
hätte sehen können, und bestimmt so, wie Korzenowski es sah.
Er hatte dies getan. Er wußte kaum, wer oder was er jetzt war. War er der Ingenieur, lebende Geschichte, wiederbelebte Legende, der sowohl Neo-Geshels wie Naderiten formalen Respekt und informellen Verdacht einflößte? War es Konrad Korzenowski, ein natürlich geborenes menschliches Wesen, brillanter Sohn orthodox naderitischer Eltern, Mathematiker und Konstrukteur? War er ein Gefäß für den unglücklichen Geist von Patricia Luis Vasquez?
Das spielte keine große Rolle. Er war ein Stäubchen in einem Sturm; und was er in der Vergangenheit gewesen war oder getan hatte, schien sehr weit entfernt. Es schien irrelevant.
Bald würde das Hexamon versuchen, wieder in den Weg vorzudringen. Es war durchaus möglich, daß die jetzigen Beansprucher des Weges sie zwingen würden, Thistledown zu zerstören. Falls das geschah, würde er in dem Feuersturm höchstwahrscheinlich vernichtet werden.
Kräfte, Mächte, Herrschaften.
Er konnte sich kaum an die Zeit erinnern, die er mit der Arbeit am Park verbracht hatte. Solche Erinnerungen waren nur dürftig vertreten in den Partialen, die nach seiner Ermordung gesammelt und archiviert worden waren.
Er war von orthodoxen Naderiten umgebracht worden.
Von seinen Eltern verstoßen, weil er die Exilierung erzwang.
Unruhestifter.
Damit war so ziemlich alles zusammengefaßt.
Er ging in ein rundes Heckenlabyrinth im geometrischen Mittelpunkt des Parks. Die hüfthohen äußeren Hecken bildeten ein ungleichmäßiges Mosaik. Sie folgten keinem besonderen Radius oder Bogen des Kreises. Manche Winkel waren faktisch Projektionen dreidimensionaler Figuren, die das äußere Labyrinth besonders mühsam machten. Menschen mit Implantaten hatten kaum Schwierigkeiten, durch den Irrgarten zu kommen, da sie ihn leicht in ihren Köpfen sich vorstellen und manipulieren konnten. Ohne Implantate war das Labyrinth eine schwer zu knackende Nuß im Kopf.
Er entsann sich, es gebaut zu haben in der Hoffnung, daß Leute mit Implantaten es nicht benutzen würden… Aber die meisten taten es doch. Das hatte ihn etwas über die menschliche Natur gelehrt, nämlich daß Herausforderung und Schwierigkeit für die große Mehrheit weniger bedeuten als Leistung und Gewinn, selbst im Hexamon.
Korzenowski blickte auf zum Zentrum des Labyrinths und sah dort in hundert Metern Entfernung einen Mann stehen. Dieser begann sich nach außen vorzuarbeiten. Korzenowski ging wie auf eine Herausforderung hin einwärts. Das war ein zerstreuender und entspannender Sport. Er sah nicht direkt auf den Mann, sondern zog es vor, sich an seine eigene Konstruktion zu erinnern und herauszubringen, was er vergessen oder verloren hatte.
Sie waren noch einige Meter von einander entfernt auf getrennten konzentrischen Wegen des leichteren Zentrallabyrinths, als Korzenowski aufblickte und dem Mann voll ins Gesicht schaute. Einen Augenblick lang schien es, als ob seit der Zerstörung überhaupt keine Zeit vergangen wäre und die frühen Stunden nach vierzig Jahren noch frisch in Erinnerung wären wie die frühen Stunden seiner Reinkarnation.
Der Mann war Ry Oyu, Leitender Toröffner für das Unendliche Hexamon. Seine Präsenz war ebenso unmöglich wie die Mirskys. Beide waren mit den Geshelbezirken den Weg hinunter gegangen.
»Hallo!« begrüßte ihn der Türöffner mit erhobener Hand. Er nickte einem Punkt hinter Korzenowski zu und gab ihm damit zu verstehen, daß sie nicht allein waren. Korzenowski wandte sich widerstrebend von Ry Oyu ab und erblickte Olmy an der Peripherie des Irrgartens.
Der Ingenieur lachte auf und fragte den Toröffner: »Ist das eine Verschwörung? Sind Sie mit Olmy verbündet?«
»Keine Verschwörung. Er erwartet mich nicht. Dies schien ein günstiger Moment zu sein, mit Ihnen beiden zu sprechen. Wollen wir Ser Olmy an der Außenseite treffen?« fragte der Mann. »Dies ist ein wundervolles Labyrinth, aber kein Ort für bequeme Konversation. Es gibt zu viele Ablenkungen und Probleme zu lösen.«
»Schon recht«, sagte Korzenowski mit entschlossenem und gemäßigtem Ton.
»Sie scheinen nicht überrascht zu sein«, sagte Ry Oyu.
»Mich überrascht jetzt nichts.« Korzenowski wartete, bis der Toröffner zu ihm gekommen war. Als sie dann gemeinsam durch den Irrgarten gingen und dem Pfad folgten, fragte er: »Sind Sie auch ein Avatar, der Unheil verheißt?«
»Keine Prophezeiung. Ich fürchte, ich bin hier, um ein schwieriges Unternehmen in Angriff zu
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