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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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gegen Auger. Taschenlampe und Pistole polterten zu Boden. Auger holte Luft, um zu schreien – eine natürliche menschliche Reaktion, wenn die Person neben einem gerade getötet worden war. Aber irgendwie gelang es Auger, sich zurückzuhalten. Zitternd griff sie nach der Taschenlampe und ersetzte Bartons nutzlose Automatik gegen Avelings, voll darauf konzentriert, zu handeln statt zu denken.
    Geduckt leuchtete sie mit der Taschenlampe den Gang entlang. Zufällig gelang es ihr, das Kind im grellen Lichtkegel einzufangen. Einen Moment lang erstarrte es und blickte sie aus seiner schrecklichen, verschrumpelten Parodie eines Gesichts an. Faltige, blutleere Lippen rahmten ein teuflisches Grinsen aus geborstenen Zähnen ein.
    Sie verbrauchen sich schnell.
    Eine trockene, schwarze Zunge bewegte sich zwischen den Lippen. Es hob die winzige Klauenhand, in der es etwas hielt, das wie eine Schusswaffe aussah. Auger feuerte zuerst und zielte mit der Pistole einfach in die ungefähre Richtung des Kindes. Der Rückstoß drückte den Griff der Waffe gegen ihre Hand. Auger stieß einen leisen, gequälten Schrei des Schmerzes und der Überraschung aus, als das Kind zusammenklappte und aus dem Lichtkreis der Taschenlampe fiel. Seine Waffe landete klappernd auf dem Boden, dann erklang ein abscheuliches, langsam leiser werdendes Kreischen, wie Dampf, der aus einem Teekessel strömte.
    Alle ihre Instinkte sagten Auger, dass sie dorthin zurücklaufen sollte, woher sie gekommen war, zurück ans Tageslicht. Sie wusste, dass vielleicht noch mehr dieser Kreaturen im Tunnel lauerten. Aber sie musste nachsehen, was sie soeben getötet oder verletzt hatte.
    Sie ging hinüber, die Waffe immer noch schwer in der Hand, in der Hoffnung, dass noch mindestens eine Kugel im Magazin war – genauer wollte sie es gar nicht wissen. Das Kreischen des Kindes erstarb langsam und wurde zu einem schwachen, beinahe rhythmischen Wimmern.
    Sie trat die Waffe des Kindes beiseite und ging daneben in die Hocke. Die schwarze Haarmähne war auf einer Seite vom Kopf der Kreatur gerutscht und gab den Blick auf einen faltigen, altersfleckigen, blassen und haarlosen Schädel frei. Aus der Nähe, im erbarmungslosen Licht der Taschenlampe, war das Gesicht des Kindes eine Masse aus schlaffer Haut und wunden Striemen. Es sah aus wie kaputtes Gummi mit einer rissigen Schicht aus verschmiertem Makeup. Die wässrigen Augen hatten einen Gelbstich, und die Zähne waren schwarze, verfaulte Stümpfe, hinter denen sich die angeschwollene Masse einer zerfallenden Zunge wie ein gefangenes Ungeheuer bewegte und versuchte, zwischen Lauten eines pfeifenden Stöhnens und rasselndem Atmens zusammenhängende Worte hervorzubringen. Das Kind stank ekelerregend, wie der hinterste Winkel einer Anstaltsküche.
    »Was machst du hier?«, fragte Auger.
    Trocken keuchend antwortete das Kind: »Das brauchst du nicht zu wissen.«
    »Ich weiß, was du bist. Du bist eine Ausgeburt des Militärapparats, etwas, das man vor Jahrzehnten hätte vernichten sollen. Die Frage ist, warum hat man das nicht getan?«
    Flüssigkeit quoll zwischen den geborstenen Zähnen des Kindes hervor. »Wir haben Glück gehabt«, sagte es und stieß einen gurgelnden Laut aus, der entweder ein spöttisches Lachen war oder einen langsamen Erstickungstod ankündigte.
    »Das nennst du Glück?«, fragte Auger und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Wunde, die sie dem Kind in den Bauch geschossen hatte.
    »Ich habe das getan, wozu ich geschaffen wurde«, erwiderte das Kind. »Das nenne ich Glück.«
    Dann starb es – der Kopf sackte plötzlich nach hinten, und die Augen erstarrten in den Höhlen. Auger streckte den Arm in der Dunkelheit aus, tastete umher und schloss die Hand schließlich um die Waffe, die dem Kind gehört hatte. Sie hatte mit einer weiteren Pistole gerechnet – auf jeden Fall mit einem weiteren E2-Artefakt –, aber das Objekt fühlte sich unvertraut und fremdartig an. Sie stand auf, steckte die Waffe in ihre Handtasche und trat von der Leiche zurück.
    Hinter sich hörte sie Geräusche: hektisches Scharren und Rascheln. Sie ließ den Taschenlampenschein umherwandern, in der Erwartung, Ratten zu sehen. Stattdessen entdeckte sie einen Jungen und ein Mädchen, die neben Avelings Leiche hockten und in seiner Kleidung wühlten. Als das Licht auf sie fiel, blickten sie Auger an und zischten wütend.
    »Weg von ihm!«, befahl sie und richtete die Pistole auf die beiden. »Ich habe bereits einen von euch getötet, und

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