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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Ahlswede
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Sprechen Sie etwa von meiner Tochter?
    »Äh, also, Jule ist noch in der Backstube, Madameööööh …«
    Wie hieß die Schulleiterin doch gleich?
    Auch die Lehrerin macht keine Anstalten, meine Wissenslücke zu ergänzen. Sehr praktisch, man kann also einen vergessenen Nachnamen einfach durch ein langgezogenes »ööööh« ersetzen.
    »In der Backstube?«, erkundigt sich die Schuldirektorin ungläubig. »Dann kennen Sie sich hier aber gut aus!«
    Jetzt schaltet sich Madame Croizet ein und stellt Jule und mich wortreich als die nettesten Mieter aller Zeiten vor.
    Hach, das geht runter wie Öl, jedenfalls besser als das Zitronentartelette. Zehn Sympathiepunkte für Madame Croizet.
    Und die Direktorin vermeldet stolz ihre Schlussfolgerung: »Ach, dann wohnt unser kleiner Dschüll also über der Bäckerei?!«
    Da war’s wieder: »Dschüll.« Langsam glaube ich nicht mehr, dass es an meinen mangelnden Französischkenntnissen liegen könnte. Auch Madame Croizet blickt mich leicht irritiert an und wendet sich dann dem nächsten Kunden zu, dem die Schuldirektorin gerade den Vortritt gelassen hat. Sie stellt sich wohl auf eine längere Unterhaltung mit mir und meinen Zitronentartelettes ein.
    »Ja, wir wohnen hier«, antworte ich lapidar, in der Hoffnung, die Konversation so ein bisschen abzukürzen.
    »Aha, Dschüll wohnt also über der Bäckerei«, sagt die Direktorin, die es wohl als Kleinkindpädagogin nicht lassen kann, alle Erkenntnisse noch einmal in klare Worte zu fassen. Interessante Berufskrankheit. »Hm, das wird er aber mögen«, fügt sie dann hinzu.
    Er! Das war eindeutig! Doch bevor ich reagieren kann, wandert der Blick der Direktorin über meine eineinhalb Tortenstückchen. Mit einem süffisanten Lächeln sagt sie: »Kleine Jungs sind ja eigentlich die größten Naschkatzen.«
    Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr: Sie hat eindeutig »kleine Jungs« gesagt! Das hätte ich schon nach einem Jahr Schulfranzösisch richtig verstanden. Die Direktorin hält meine Jule also für einen Jungen! Natürlich: die kurzen Haare, das fehlende Rosa und dazu noch der Name »Jule«, der in Französisch nur als »Jules« – also »Dschüll« – für Jungs existiert.
    Da muss ich wohl mal dringend intervenieren, damit Jule durch das waghalsige Frankreich-Abenteuer ihrer Mutter keine dauerhaften Schäden davonträgt und in 20 Jahren ihr als perfekt zweisprachige Weltbürgerin verdientes Geld auf der Couch von Psychotherapeuten verschleudern muss. Ich werde dieser ignoranten Direktorin die Augen öffnen müssen, ihr erklären, dass …
    »Gefällt es ihm denn bei uns in der Schule?«
    Jetzt! Anja, los!
    »Ja, also nein, ich meine …«
    »Das freut mich aber, Ihnen dann noch einen schönen Tag.«
    Die Direktorin wendet sich jetzt Madame Croizet zu: »Ein Baguette, aber schön kross bitte.«
    #
    Hallo Bettina, habe heute schon richtig was gelernt: Französinnen heißen nicht Jule und naschen nicht – schon gar nicht in der Öffentlichkeit. (15:41, 18. September)

    Wie wär’s mit »Julie«? Du sollst auch nicht naschen. Nirgendwo. Brian ist gerade zurück in die USA geflogen. Ein Glück! Eine echte Niete. Rufe dich jetzt an. (15:44, 18. September)

    Keine Zeit. Warte nur noch auf Jule und ihr Einhorn. Dann müssen wir los. Ein anderes Mal, okay? (15:46, 18. September)

    Einhorn? Geht’s noch? (15:47, 18. September)

7. Kapitel
    Zehn Minuten später
    Kurz vor der Avenue Général Leclerc
    Jule, das Hefe-Einhorn und ich sind bisher an bezaubernden hellorange getünchten Einfamilienhäusern mit ockerfarbenen Dächern vorbeispaziert, die in Gärten wie aus einem Impressionisten-Gemälde sehr einladend wirken. Nur diese hässlichen Mietskasernen im Hintergrund würden Monets Schüler heutzutage wahrscheinlich diskret weglassen.
    Und leider werde ich das Gefühl nicht los, dass wir uns geradewegs auf diese schrecklichen Hochhäuser zubewegen. Dabei bin ich doch ganz der Beschreibung von Madame Croizet gefolgt.
    Jetzt biegen wir um die Ecke und erreichen die Avenue Général Leclerc. Ich hole die Visitenkarte hervor. Kein Zweifel, Nummer vier, da drüben ist es. An das von Jule versprochene Schloss hatte ich ja nie geglaubt, aber etwas mehr Stil hatte ich nach ihren Erzählungen über Chloé und ihre Zofe doch erwartet.
    Das Gebäude ähnelt einem Schloss ungefähr so sehr wie eine schrottreife Ente einem fabrikneuen Cabrio: Es handelt sich um einen Betonkasten mit sechs Stockwerken, einem Hauch von Plattenbau, seit den 60er-Jahren

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