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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Ahlswede
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abverreden?«, sagt Jule auf Deutsch und mit flehendem Blick. Dazu legt sie ihre Handflächen unter ihrem Kinn aneinander und sagt »Bittebittebittebitte« – eine Geste, die ich von ihr bisher gar nicht kannte und mit der auch ein Tauber verstehen könnte, was sie will. Dann legt sie auch noch ihren Arm um ihre Freundin.
    Chloés Vater sieht mich triumphierend und irgendwie erwartungsvoll an, sagt aber kein Wort. Gerade als ich Jule wutentbrannt wegreißen will, ergreift Chloé das Wort – das ich natürlich wieder nicht einmal ansatzweise verstehe. Chloés Vater nickt stumm – und drückt mir eine Visitenkarte in die Hand:

    Eric Leroy
    4, Avenue du Général Leclerc
    13577 L’Oublie-en-Provence
     
    »Morgen, 16 Uhr, bei uns zum ›goûter‹«, sagt er.
    Jule und Chloé fallen sich jubelnd in die Arme. Ich halte die Karte in der Hand, koste die Spielverderber-Rolle so richtig schön aus, die ich gerade so nonchalant zugeschustert bekommen habe, sehe, wie Chloés Vater die Autotür zuwirft und mit seiner Tochter in der Schule verschwindet.
    Jule fällt mir um den Hals. »Juhuuuuh! Wir gehen zum ›goûter‹ zu Chloé!!!!«
    Wir? Wieso wir ? Soll ich mir jetzt etwa Streichkäse in Döschen mit diesem Arroganz-Bolzen teilen?
    Niemals!

6. Kapitel
    Einen Tag später: Samstag, 18. September, 15:30
    In der Bäckerei
    »Keine Sorge, ma chère , Sie müssen keinen Streichkäse essen«, versucht mich Madame Croizet zu beruhigen, als ich auf dem Weg zu Jules Verabredung in der Bäckerei Station mache. »Es geht doch hier nicht um diesen Imbiss morgens in der Schule, wo die Lehrerinnen den Kindern heutzutage alles Mögliche verordnen, nur weil es angeblich gesund ist.« Madame Croizet holt tief Luft. »Das wahre ›goûter‹, das sind die kleinen Leckereien am Nachmittag! Das ist der kulinarische Höhepunkt des Tages«, schwärmt Madame Croizet, ganz Frau vom Fach. »Aber nur für Kinder! Sie werden vielleicht eine Tasse Café trinken.«
    »Ach so. Natürlich.«
    Natürlich nicht.
    Ich habe mir fest vorgenommen, Jule – so das Heim ihrer neuen Freundin nicht gerade eine Wellblechhütte im sozialen Brennpunkt unseres 3000-Seelen-Dorfes ist – bei den Leroys einfach nur abzugeben. Und Jule pflichtbewusst aufzufordern, auch schön artig zu sein. Und ihr natürlich noch viel Spaß zu wünschen. Und dann zu verschwinden!
    »Jule wird sich gut amüsieren«, sagt Madame Croizet, als könnte sie meine Gedanken lesen. »Und Sie brauchen dort auch wirklich nicht zum ›goûter‹ zu bleiben«, betont sie jetzt noch einmal. »Erwachsene naschen doch nicht!« Mit diesen Worten schiebt sie geschickt eine frisch aus der Backstube gelieferte Ladung Zitronentartelettes, Mousse-au-Chocolat-Küchlein, Kirsch-Sahne-Stückchen und Nussringe in die Vitrine.
    Alles klar, hier nascht sicher niemand.
    Madame Croizet muss meinen ungläubigen Blick bemerkt haben, denn sie fügt gleich noch hinzu: »Die Törtchen sind natürlich fürs Dessert, ganz gelegentlich, nach einer ausgewogenen Mahlzeit. Und hin und wieder kann man natürlich auch mal eine klitzekleine Ausnahme machen. Möchten Sie vielleicht ein Stück?«
    Klar, von jedem eins, bitte!
    »Nein, danke. Ich muss wirklich auf meine Linie achten.« Wie zur Entschuldigung streiche ich über meine Hüften, die rein gefühlsmäßig denen von Madame Bäckerin an Breite wohl kaum nachstehen dürften. Oder sagen wir, so weit will ich es nicht kommen lassen.
    »Und deshalb versuche ich, mich ein wenig an die Regeln hier zu halten: Französinnen naschen nicht.«
    »Aber meine Liebe, Regeln und Gesetze gibt es viele. Sie haben aber alle nur eine Bestimmung: sie zu brechen«, gluckst Madame und nimmt zwei Zitronentörtchen aus der Vitrine. »Hier, nun probieren Sie doch mal, mein Jacques hat heute besonders gut gearbeitet.« Madame hält mir eines der Törtchen entgegen.
    Französinnen naschen nicht … Französinnen …
    »Ach, warum nicht?« Ich greife beherzt zu. Etwas im Bauch zu haben kann bei meiner Mission an diesem Nachmittag, nämlich Jule bei dieser schrecklichen Familie abzuliefern, sicher nicht schaden.
    Jule holt gerade noch bei Monsieur Croizet in der Backstube ihr Spezialmitbringsel für Chloé ab. Es soll wohl eine »Brioche« in Form eines Einhorns werden, wie mir Jule vorher verraten hat. In Berlin hätte sich meine Tochter noch mit einem Fußball zufriedengegeben und der Bäckerzunft wohl einige Schwierigkeiten erspart. Doch so dürfte sich Monsieur Croizet unter Jules

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