Ex en Provence
nicht mehr renoviert.
»Wo is ’n Chloés Schloss?«, erkundigt sich Jule.
»Julchen, das mit dem Schloss kannst du wohl vergessen. Das Haus da drüben, das ist es.«
»Oh.«
»Du sagst es: Oh!«
Während wir auf die Haustür zugehen, starte ich per Handy einen Notruf bei Madame Croizet. Sie versichert mir, dass ich richtig bin und mich eigentlich auch gar nicht aufregen muss. Schließlich handele es sich um relativ teure Eigentumswohnungen. Ja, der Putz bröckle vielleicht ein bisschen, bestätigt sie, aber eigentlich sei das eine sehr gute Adresse.
Jetzt haben Jule und ich die Eingangshalle erreicht. Wir klingeln, meine Tochter stürmt die Treppe hinauf, und ich mache mir ein bisschen Sorgen um das filigrane Einhorn in ihrer Hand, den Nachmittag, der vor mir liegt, um Jule überhaupt …
Als ich endlich keuchend die richtige Tür erreiche, ist Jule schon in der offenbar recht weitläufigen Wohnung verschwunden. Viel kann ich von meinem strategisch nicht so günstigen und auch gar nicht so angenehmen Standort Türschwelle nicht sehen. Vor allem aber auch keinen Erziehungsberechtigten. Na, das sind ja Zustände!
»Bonjour, hier ist Jules Mutter …«
… die Erziehungsberechtigte, jawohl.
»Hallo?«
Nichts.
»Halloho?!«
Immer noch nichts. Außer Gekicher, ganz offensichtlich von Jule und Chloé.
»Ist da jemand?«, rufe ich inzwischen ziemlich laut.
Jetzt reicht’s aber. Ich setze einen Fuß in die Wohnung, mit der Absicht, Jule umgehend wieder mitzunehmen.
»Warum schreien Sie denn so?« In gerade mal zwei Meter Entfernung steckt plötzlich Chloés Vater seinen Kopf aus dem Raum direkt neben dem Eingang.
»Weil ich Sie nicht gesehen habe«, entgegne ich. »Guten Tag übrigens …«
… Sie Anti-Knigge!
Dann taucht der ganze Monsieur Leroy auf: Er trägt eine zerrissene Jeans und ein ehemals weißes T-Shirt mit Öl-, Farb-und sonstigen Flecken, die offenbar von wichtiger Heimwerker-Tätigkeit zeugen. Er wischt sich seine Hände an einem nicht gerade blütenreinen Tuch ab und streicht sich dann eine Locke aus der schweißnassen Stirn.
Jetzt bitte keinen Serienkuss zur Begrüßung!
»Deshalb müssen Sie doch aber nicht so brüllen.«
Okay, Kussgefahr natürlich gleich null.
Er mustert mich, ein bisschen amüsiert, wie mir scheint, und quält sich dann doch noch ein »Bonjour« heraus. »Sie können Ihre Tochter um 18 Uhr 30 wieder abholen«, fügt er hinzu.
Klare Ansage.
Allerdings gibt es keinen Kaffee.
Aber auch keinen Streichkäse. Puh!
Und es wird umso deutlicher, dass meine Präsenz eigentlich nicht länger erwünscht ist. Aus einer Werkzeugkiste hinter sich nimmt er so eine Art Schraubenschlüssel, die man für eklige Klempnerarbeiten an verstopften Abflüssen braucht.
»Halb sieben also«, murmelt er noch einmal und schwenkt demonstrativ den Schraubenschlüssel.
»Halb sieben«, bestätige ich. »Und …«
… seien Sie wenigstens zu meiner Tochter freundlich.
»… vielen Dank.«
»Hm.«
Bloß nicht zu viele Worte verlieren.
»Viel Spaß, Jule«, rufe ich in den Flur, durch den Jule und Chloé von einem Zimmer ins andere toben.
Chloés Vater sieht ihnen zu und lächelt. Er ist zwar schweigsam, aber wohl auch stressresistent.
»Bis nachher«, sage ich.
»Bis nachher. Und viel Spaß beim Joggen«, antwortet Monsieur Leroy mit einem breiten Grinsen.
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»Dabei wollte ich überhaupt nicht joggen, also jedenfalls nicht heute Nachmittag. Kannst du dir das vorstellen?«
»Was? Dass du nicht joggen wolltest? Ja, aber klar!«, prustet Bettina ins Telefon.
Meine Schwester ist bekannt, nein, berühmt, ach was, berüchtigt dafür, die Dinge beim Namen zu nennen. Wie zur längst überflüssigen Bestätigung dieser Tatsache fügt sie jetzt noch hinzu: »Du bekommst deinen Hintern doch nie hoch, das wissen wir doch, Kleines.«
»Nenn mich nicht Kleines!«, protestiere ich lahm und füge wie im Reflex hinzu: »Ich bin immerhin 40!«
Mist. Ich höre es schon …
»Ich auch, aber fünf Minuten älter, hihi«, triumphiert Bettina.
Fast hätte ich’s vergessen.
»Hm«, murmele ich und genehmige mir einen großen Schluck von dem leckeren Milchkaffee, den ich mir mit auf meinen Balkon genommen habe.
Bettina und ich sind Zwillinge, leider auch noch eineiig. Und wir sind wohl zweifellos ein Beweis dafür, dass der Hang zum Dickwerden keinesfalls allein auf die erbliche Veranlagung zurückgeführt werden kann. Dabei ist das doch eine so praktische Erklärung.
»Also, wie läuft dein
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