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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Ahlswede
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abverredet.«
    »Ver-ab-redet, Julchen.«
    »Ist doch egal. Will endlich mal zu Chloé nach Hause, in ihr Schloss.«
    »Jule, Chloé wohnt bestimmt nicht in einem Schloss. Das habe ich dir schon ganz oft gesagt.«
    »Doch, tut sie wohl! Das hat sie mir gesagt. Und in ihrem Garten gibt es Einhörner. Aber das ist ein Geheimnis. Psssst.«
    Das würde ich auch geheim halten.
    »Sie hat schon ganz oft gefragt, wann ich denn endlich mal nachmittags zum ›goûter‹ kommen …«
    »Goûter«?
    »Goûter«!!!
    »Mist, Jule! Wir haben dein ›goûter‹ vergessen! Du bist heute mit dem Klassenfrühstück dran, und wir haben nichts dabei!«
    »Och, Mama, so eine Sch…«
    »Jule!«
    »Das ist aber echt doof. Was machen wir denn jetzt?«
    »Hm, umdrehen und …«
    »Nein! Dann verpassen wir bestimmt Chloé und ihren Vater!«
    Könnte sein.
    »Na gut, dann nicht. Vielleicht hat die Lehrerin für solche Fälle ein paar Reserven. Sollen wir sie mal fragen?«
    »Nein! Bloß nicht. Ich will ›goûter‹ mitbringen! Komm, wir drehen um.« Jule zieht mich in noch einmal verdoppelter Geschwindigkeit, diesmal von der Schule weg.
    Beim »goûter« handelt es sich, wie ich kürzlich gelernt habe, um das in der Vorschule am Vormittag übliche Kollektiv-Pausenbrot in Form von 24 Joghurts, 24 Schokokeksen, 24 Bananen oder 24 merkwürdigen Streichkäse-Portiönchen mit einer überdimensionalen Salzstange zum Dippen und Knabbern. Je nach Wochentag muss das Kind, das laut Plan gerade für den Imbiss zuständig ist, die gesamte Klasse mit einer Ladung dieser mehr oder weniger ansprechenden Köstlichkeiten versorgen.
    Ein großer Moment für Jule wie für jedes Kind, denn wer den Snack mitbringt, darf ihn auch verteilen. Es handelt sich also um eine auch schon für Fünfjährige überaus attraktive Chefposition, auf der man Günstlinge zuerst bedenken und Feinde bis zur letzten Sekunde leer ausgehen lassen kann. Und Jule sollte heute Schokokekse mitbringen.
    »Coralie will ich als Letzte was geben«, keucht Jule. »Die ist voll doof. Los, beeil dich, Mama, wir holen von zu Hause was.«
    »Hm, okay«, murmele ich.
    Und was?
    Auch zu Hause habe ich nämlich keine 24 Schokokekse vorrätig. Vom Frühstück nur noch ein Schokobrötchen …
    Na klar! Kurz bevor wir unser Heim erreichen, kommt mir der rettende Einfall. Ich schiebe Jule in die Bäckerei, erkläre Madame Croizet die Notsituation, danke meiner Helferin und ziehe mit der morgendlichen Verkaufsration von 24 »pains au chocolat« als Schokokeksersatz wieder ab.
    Je eine riesige Bäckertüte in meinem und in Jules Arm, rennen wir Hand in Hand zurück in Richtung Schule. Mit perfekt französischer Verspätung von zehn Minuten biegen wir um die letzte Straßenecke. Grandios.
    Aber was ist das? Was leuchtet denn da so hellgrün? Nein, bitte nicht …
    »Mama! Guck ma! Da ist Chloé mit ihrem Papa«, schreit Jule, reißt sich von meiner Hand los und rennt auf diese fiese, aber offenbar zur Abwechslung mal frisch gewaschene Ente zu. Gerade als Jule das Auto erreicht, öffnet Chloés Vater mit Schwung die Fahrertür, Jule donnert dagegen, die Schokobrötchen verteilen sich auf dem Fußweg, und Jule landet unsanft auf ihrem Po.
    Doch statt – wie üblich und in diesem Fall auch mehr als gerechtfertigt – in ein lautes Wehgeschrei auszubrechen, zeigt Jule nur auf Chloés Vater und brüllt: »Los, Mama, jetzt!«
    Aber gern, Zeit für meine erste französische Schimpftirade, man macht ja schließlich Fortschritte.
    »Hey, können Sie denn nicht aufpassen, Sie rücksichtsloser Volltrottel!«, brülle ich Chloés Vater an, der jetzt vom Fahrersitz aufspringt, sich zu Jule herunterbeugt …
    … und mich überhaupt nicht beachtet.
    »Entschuldige, hast du dir wehgetan?«, fragt er Jule und hilft ihr auf die Beine.
    »Natürlich hat sie sich wehgetan!«, schreie ich ihn an. »Was soll diese blöde Frage? Und was fällt Ihnen eigentlich ein, Sie, Sie …«
    »Mama! Hör auf«, unterbricht mich Jule und hakt sich bei Chloé unter. »Ich will Chloé besuchen! Jetzt frag doch endlich!«
    Klar, ich liebe Selbsteinladungen, gerade jetzt!
    »Aber Jule, dieser Trampel hat dich gerade ziemlich …«
    Chloés Vater fängt an, die Schokobrötchen wieder aufzusammeln. »Hier, die kann man noch essen«, sagt er und hält mir die Tüte entgegen. »Ein bisschen Dreck härtet ab.«
    »Also … Sie ignoranter, unfähiger …«
    »Mama! Ist doch schon wieder gut. Aber ich will zu Chloé. Kannst du uns jetzt

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