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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Ahlswede
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überwiegend in Zeichensprache erteilten Anweisungen redlich abmühen.
    Ich wollte in der Zwischenzeit schon mal unseren Kombi vom anderen Ende des Marktplatzes holen, wo ich neulich einen richtig tollen, legalen Parkplatz entdeckt habe. Das Ärgerliche beim Legal-Parken ist nur, dass man dann auch ganz toll illegal zugeparkt werden kann. Und tatsächlich ist mein Auto jetzt hoffnungslos zwischen dem unschuldig plätschernden Brunnen, den üppig bepflanzten Blumenkübeln und einem sogar meiner Vermieterin unbekannten Auto eingezwängt.
    »Nein, das Fahrzeug kenne ich auch nicht«, sagt Madame Croizet, als sie aus dem Fenster blickt. Dann setzt sie ihre Brille auf und ruft: »Ah, Pariser Kennzeichen. Typisch Hauptstädter! Der muss hier irgendwo zu Besuch sein, da kann man nichts machen. Gehen Sie doch zu Fuß, es ist bestimmt nicht so weit. Wo müssen Sie denn hin?«
    Ich präsentiere ihr die Visitenkarte von Chloés Vater. Madame Croizet hält die Karte eine Armlänge entfernt und blinzelt unter ihrer Brille hindurch.
    »Ach so!«, ruft sie dann mit überraschtem und recht interessiertem Tonfall. »Zu Eric Leroy wollen Sie!«
    Nein, eigentlich nicht. Jule will zu Chloé.
    »Ja, Jule ist mit seiner Tochter Chloé befreundet.«
    »Seltsamer Mensch, dieser Leroy«, murmelt Madame Croizet.
    Und das ist noch geschmeichelt.
    »Hm.«
    »Wir wissen so gut wie nichts über ihn, und das will ja was heißen.« Madame Croizet stimmt ihr kehliges Lachen an, das ihr Doppelkinn so sympathisch vibrieren lässt. »Der kauft immer zehn Baguettes auf einmal. Das ist einer von den Einfrierern.« Madame schüttelt sich ein bisschen, als wollte sie den Geschmack aufgetauten Weißbrots so schnell wie möglich loswerden, und gibt mir die Visitenkarte zurück. »Aber sonst? Er ist hier vor ein paar Jahren aufgetaucht. Lebt wohl sehr zurückgezogen. Spricht nicht viel.«
    Das hätte ich durchaus bestätigen können, nicke aber nur, da meine Zunge zwischen leckerster, aber doch recht klebriger Zitronencreme kaum zu einer Artikulation in der Lage gewesen wäre – schon gar nicht auf Französisch. Essen oder reden, beides geht nicht, das ist klar. Vielleicht sollte ich mit meinem Törtchen hier so schnell wie möglich verschwinden.
    Aber jetzt ist Madame Croizets Neugier geweckt: »Ich wusste gar nicht, dass Monsieur Leroy eine Tochter hat«, sagt sie. »Sie müssen mir unbedingt von der Familie berichten. Von einer Madame Leroy ist mir übrigens auch gar nichts bekannt. Was für eine Erscheinung ist sie denn?«
    Ich zucke mit den Schultern und kämpfe jetzt in etwas erhöhter Kaugeschwindigkeit mit dem Zitronentartelette.
    »Also, mein Jacques dachte ja erst, dass der Leroy zu dieser Familie gehört, die schon vor Jahrhunderten …«
    Madame Croizet wird von der Ladenglocke unterbrochen. »Oh, pardon! Hier, für Jule«, sagt sie zu mir, drückt mir das zweite Zitronentörtchen in meine noch freie Hand und wendet sich der Kundschaft zu, die gerade in die Bäckerei geströmt kommt.
    Darunter ist auch die ganz offensichtlich magersüchtige Direktorin von Jules Schule. Beim Anblick meiner Zucker-Völlerei setzt sie jetzt diesen Blick auf, den ich schon bei meiner eigenen Direktorin, Madame Guillotin, zu spüren bekommen habe. Hoffentlich erkennt sie mich nicht wieder! Wir haben zwar bei Jules Anmeldung miteinander gesprochen, aber danach habe ich sie nur noch bei der Einschulung von weitem zu Gesicht bekommen. Es könnte also vielleicht klappen, hier inkognito zu flüchten …
    »Bonjour Madameöööh«, begrüßt mich aber genau in diesem Moment die Lehrerin mit einer neuen Variante meiner Lieblingsanrede. Ihr Blick schweift über das Zitronentartelette und meine in einem Jogginganzug steckende »Noch-Nicht-Französinnen-Figur«.
    Arme Jule. Nicht nur, dass sie wohl als Direktorin genau wie ich einen Drachen abbekommen hat. Aber jetzt hat auch noch ihre eigene Mutter unter den Augen ebendiesen Drachens die Lektion »Französinnen-naschen-nicht« gründlich vergeigt. Ich versuche, den aktuellen Kuchenbissen endlich herunterzuwürgen und gleichzeitig zu lächeln, was rein anatomisch nicht leicht und wahrscheinlich auch nicht gerade sehr ästhetisch ist.
    »Madameöööh …«, wiederholt die Schulleiterin, was ich als »Frau … äh« übersetze. Der Kuchenbissen ist unten. Aber gerade als ich ihr mit meinem Nachnamen auf die Sprünge helfen will, setzt sie nach: »Wo ist denn unser kleiner Dschüll?«
    Unser kleiner Dschüll? Welcher Dschüll?

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