Ex en Provence
liebenswert? Meine Schwester? Pah!
»Betty, das geht jetzt wirklich zu weit. Wenn du nicht meine Schwester wärst und wir beide praktisch Waisen, dann würde ich gar nicht mehr mit dir reden!«
»Hu, jetzt habe ich aber Angst. Und, hast du schon jemanden kennengelernt?« Bettina manövriert sich geschickt von einem wunden Punkt zum nächsten: Figur – Männer.
»Nein, will ich aber auch gar nicht«, betone ich guten Gewissens.
»Quatsch, das sagst du doch nur!«
»Nein, Betty, ehrlich. Das Thema ist durch.«
»Natürlich«, antwortet Bettina mit diesem ironischen Unterton, der mich schon zum Wahnsinn getrieben hat, als sie mich als Fünfjährige des Schoko-Diebstahls bezichtigte und ich leugnete. Ebenfalls vergeblich, wenn ich mich recht erinnere. Oder wenn ich ihre als Leihgabe angebotenen viel zu engen Hosen mit der Begründung ablehnte, dass mir die Farbe nicht stehe.
»Das hat sich erledigt«, bekräftige ich.
Aber meine Schwester kennt mal wieder kein Erbarmen: »Nicht für dich«, sagt sie. »Gib es doch zu: Du träumst immer noch von einem Reihenhaus mit kleinem Garten, Schaukel, Sandkasten, mindestens zwei süßen Kindern und einem ebenfalls verbeamteten Lehrer als Ehemann, damit ihr finanziell abgesichert viele schöne Ferien verbringen könnt!«
Ja, das klingt doch ganz attraktiv.
»Nein! Bettina, du weißt genau, dass ich nach diesem Desaster mit Ralph …«
»Oh, nein, der schon wieder. Sei doch froh, dass …«
»… ja, ich weiß, dass ich ihn los bin. Hast du schon öfter gesagt. Er ist aber zufällig der Vater meiner Tochter, und ich hatte mir eigentlich nicht vorgestellt, ihn mit der Babysitterin, teilen zu müssen.«
»Vergiss doch endlich diese Babysitterin und Ralph ebenfalls! Angel dir einen schicken Franzosen, und alles wird gut!«
»Du verstehst gar nichts. Ich habe wirklich nicht die geringsten Ambitionen, mich noch einmal in eine solche Lage zu manövrieren. Und das geht am besten, wenn ich die Männer auf Distanz halte. Alle. Auch die Franzosen.«
»Natürlich, Kleines. Aber jetzt mal Klartext: Ich glaube, du hast einfach immer noch nicht so ganz das rechte Händchen für die Männer, oder? Das ist doch das wahre Problem!«
Ich hole tief Luft.
»Liebe Bettina, darf ich dich daran …«
»Moment bitte, da kommt gerade ein wichtiger Anruf auf der anderen Leitung. Bin gleich wieder bei dir.«
»Ihre Verbindung wird gehalten, bitte legen Sie nicht auf. Ihre Verbindung wird gehalten, bitte …«
… erinnern, dass du auf deiner Überholspur bisher jeden Mann, der vielleicht tatsächlich mal länger als die Tankfüllung deines Audi TT gehalten hätte, in die Flucht geschlagen hast: nämlich deinen wirklich liebenswerten Studienkollegen aus dem ersten Semester, dann diesen netten Kerl, der mit dir als Trainee angefangen hat, und schließlich auch noch deinen Marathon-Partner, der ja wirklich sympathisch war!
»Ihre Verbindung wird gehalten, bitte legen Sie nicht auf. Ihre Verbindung wird gehalten, bitte …«
Ich weiß, was du jetzt sagst wirst, und du hast natürlich wie immer Recht: Der Erste hat es einfach nicht verkraftet, dass du ihn zwölf Semester später als Dr. Bettina Kirsch durch die Diplomprüfung fallen gelassen hast.
»Ihre Verbindung wird gehalten, bitte legen Sie nicht auf. Ihre Verbindung wird gehalten, bitte …«
Dem Zweiten drückte es aufs Selbstwertgefühl und auch auf die unglücklicherweise damit gekoppelte Testosteron-Produktion, dass du direkt zur Vorstandsassistentin befördert wurdest, ihn zur Unterstützung an die Seite gestellt bekamst und ihn dann unmittelbar gefeuert hast.
»Ihre Verbindung wird gehalten, bitte legen Sie nicht auf. Ihre Verbindung wird gehalten, bitte …«
Und dass dein Marathon-Partner nun einmal in New York kurz vor der Queensboro Bridge zusammenbrach und dass von ihm seither nicht einmal mehr eine stinkende Sportsocke gesichtet wurde. Tja, dafür kannst du ja nun auch nichts. Nur die Besten …
»Anja?«, meldet sich jetzt meine Schwester zurück. »Sorry, war wirklich ein wichtiges Gespräch. Also, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, dass du einfach nicht so geschickt bist, was Männer betrifft. Und dass du aber immer noch vom trauten Familienglück träumst, oder?«
»Liebe Bettina, darf ich dich daran erinnern, dass du ebenfalls nicht besonders …«
»Hey, du hast meine Frage nicht beantwortet!«
Aaah!
»Ach, schon gut. Ich bin mit meiner Tochter allein sehr glücklich!«
»Natürlich, Schwesterherz. Aber,
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