Ex en Provence
lange.
»Kein Problem. Ich hoffe, du hattest Erfolg?«
Philippe setzt sich. »Pardon, womit?«
Na, mit der Befreiung eines Unschuldigen aus dem Todestrakt in …
»Ah, mit der Tellefonn? Oui, oui.« Philippe deutet jetzt auf diesen Ordner, der zugegeben in dem doch eher vertrauten Ambiente dieses Restaurants ziemlich deplatziert wirkt. »Und du ast tatsäschlisch an das Arbeit gedacht?«
Äh, natürlich. Das hier ist ein Geschäftsessen!
Mangels passender Antwort nicke ich nur und klemme mir diese widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr, die mir Friseur Jean-Louis als letzen Schrei verkauft hat und die eigentlich irgendwo mitten in meinem Gesicht herumhängen müsste.
»Du siehst wuunderschönn a-us«, bemerkt Philippe. »Du ast sischerr Ungerr.«
Und wie!!!
»Es geht. Eigentlich nicht besonders. Ich nehme wohl nur einen Salat.«
Natürlich werde ich auch an diesem Abend an meiner Diät festhalten. Ich kann ja unmöglich mein Benchmark-Kleid aufs Spiel setzen, solange ich hier in Frankreich keinerlei Chance auf ein neues Outfit habe.
Der Kellner, der mich die letzte halbe Stunde so misstrauisch beäugt hat, widmet sich jetzt unserer Bestellung. Ich wiederhole meinen Wunsch nach Salat.
»Und anschließend?«, erkundigt er sich. »Was wünschen Madame anschließend?«
»Nichts, c’est tout, das war’s.«
»Wie bitte? Nur einen Vorspeisensalat für die Dame?«
»Genau«, sage ich und klappe entschlossen die Speisekarte zu.
»Wie Madame wünschen«, entgegnet der Ober schnippisch und kritzelt mit zusammengepressten Lippen auf seinem Notizblock herum. Dann wendet er sich betont Philippe zu.
So wie der Kellner mich jetzt mit Nichtachtung straft, hält er mich sicher für unkultiviert, für den Inbegriff des Gastwirte-Horrors in Gestalt nicht französischer Touristen, die jedes Jahr im Sommer die Gastronomie des gesamten Südens in schwere Sinn-und Umsatzkrisen stürzen.
In Frankreich bestellt man sich nun einmal meistens ein vollständiges Menü: Aperitif, Vorspeise, Hauptgericht, Käse, Dessert. Dazu einen sündhaft teuren Wein, eine Flasche Perrier und vielleicht noch einen Café. 50 Euro pro Person ist da mitunter schon eine Rechnung auf Discount-Niveau.
Vor allem so manche Reisenden aus Deutschland sind aber dafür berüchtigt, sich vielleicht eine Vorspeise oder ein Hauptgericht zu bestellen, aber meistens einfach nur die Käseplatte. Wenn dann die Camemberts und Roqueforts in Tischplattenformat aufgefahren werden, schneiden sie sich riesige Stücke davon ab und essen sie mit Unmengen von Baguette, von dem sie mehrmals einen Nachschub verlangen.
Aber das mache ich ja nicht!
»Und der Wein, Monsieur?«, erkundigt sich der Ober bei Philippe, der allein die einzige Weinkarte für unseren Tisch bekommen hat. Philippe hatte inzwischen seine ordnungsgemäße Bestellung abgeschlossen, die bei jedem Gang ein überschwängliches Lob des Kellners auslöste.
»Wir nehmen einen Châteauneuf du Pape.«
»Seeeehr gute Wahl, Monsieur«, raunt der Ober.
Hey, ich muss fahren!
»Und natürlich einen Aperitif, und zwar …«, fügt Philippe hinzu.
Werde ich auch gefragt?
»… einen Kir Cassis, s’il-vous-plaît.«
Nein, wohl nicht.
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Kurze Zeit später serviert der Kellner zwei Gläser Kir und stellt einen Teller mit Appetithäppchen zwischen uns. »Voilà, die ›amuses-bouches‹«, sagt er wie mit einem Tusch.
Ta-ta-ta-taaaaaa!
Ja, damit kann mein Mund sich bestimmt amüsieren: kleine Ziegenkäseröllchen im Speckmantel, Mini-Baguettes mit Olivenpaste und niedliche Stücke Blätterteiggebäck. Lecker! Und wenn ich danach nur noch einen Salat esse, wird die Kaloriensumme schon irgendwie Kleid-verträglich stimmen.
Mmmh, dieser Kir: leckerster Weißwein mit einem Schuss fruchtigem Cassis-Likör. Ach, da würde ich doch gleich noch einen nehmen.
Herr Ober?!
Aber schon kommt der Rotwein, von dem mir Philippe gleich nachschenkt, kaum dass ich den ersten Schluck genommen habe.
Ich habe hier wohl nicht so furchtbar viel zu melden.
»Ich habe mir das Konzept für den Tag der offenen Tür einmal angesehen«, sage ich.
»Serr gutt. Aber, Andscha, ersäll mirr doch eine bischen von dir, von Berlain, eures Auptstadt très en vogue, von das Lebben …«
»Äh …«
»Also, isch persönlisch finde Berlain ja gans ervorraggend. Isch war dort mehrrmalls, als …«
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Einen viertelstündigen Monolog später hat mein eloquenter Charmeur einen Teller mit Gänseleberpastete vor sich stehen, seine
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