Ex en Provence
Vorspeise.
»Ier, Andscha, das du musst probierren. Das ist götlisch«, sagt er, streicht etwas Pastete auf ein Stück Baguette und schiebt es mir mit seinem gewinnenden Hugh-Grant-Lächeln förmlich in den Mund.
»Mmh, ja, sehr gut. Also, wenn ich das richtig sehe, müssen wir für den Tag der offenen …«
»Möschtest du noch ein bisschchen Wein?«, fragt Philippe, während er mir schon das nächste Glas einschenkt.
»Na ja, also …«
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Der Ober hat mir eben mit hochgezogenen Augenbrauen meinen Salat serviert. »Für die Dame nur einen Salat«, hat er dazu ins Restaurant gebrüllt. Philippe isst auch Salat, allerdings als Beilage zu einem riesigen Steak mit knusprigen Pommes.
Ich nehme einen neuen Anlauf für die berufliche Besprechung. Dafür sind wir ja schließlich hier, dafür habe ich Kinderfrau Garance engagiert, und tatsächlich muss ich wohl einen Beitrag zu dieser Werbeveranstaltung leisten, wenn ich an der Schule irgendetwas erreichen oder zumindest keinen Ärger mit meiner Chefin bekommen will. Und überhaupt bin ich nun einmal eher korrekt.
»Philippe, lass uns doch noch kurz einen Plan entwerfen …«
»Ier, sieh mal: rosé! Perfekt. Besser man kann nischt bratenn ein Steak. Das du musst probierren.«
Philippe spießt ein Stück seines Steaks auf seine Gabel. Auch die landet in meinem Mund. Ja, das schmeckt schon ganz gut. Sehr zart, sehr saftig. Genau genommen ziemlich lecker. Geradezu grandios.
»Möschtest du auch ein paar … wie sagtö ihrr: Pommes?«
Aber klar. Immer her damit.
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Der Rotwein ist praktisch alle. Meinem Geisteszustand nach zu urteilen, muss ich das meiste davon getrunken haben. Philippe erzählt viel, inzwischen die meiste Zeit auf Französisch. Leider habe ich immer noch nicht herausgefunden, wo er sich denn nun genau politisch engagiert. Er reagiert eher ausweichend auf meine Fragen. Vielleicht darf er nicht darüber sprechen. Ein Undercover-Agent für die Menschenrechte, wahrscheinlich in Tschetschenien, und russische Auftragskiller sind hinter ihm her.
Ich erlebe den Abend wie im Rausch, vor allem im Alkoholrausch, wie ich mir wohl eingestehen muss. Entsprechend kann ich Philippes französischem Redefluss auch nicht hundertprozentig folgen. Klar ist aber, dass er sehr geistreich und offenbar überaus belesen ist. Vor allem die Europäische Union hat es ihm angetan. »Ist es nicht wunderbar, wie die Länder zusammenwachsen?«, frohlockt er. »Und Frankreich und Deutschland vereinen sich ja geradezu!«
Äh, ja also, wenn du das sagst …
Philippe wählt seinen Käse auf der riesigen Platte aus, die der Kellner auf einem Rolltisch herangefahren hat.
Ich bediene mich jetzt selbst auf Philippes Teller, mache aber einen Bogen um diesen doch etwas sehr schimmeligen Edelschimmelkäse, den mir Philippe als das Größte überhaupt anpreist. Der Kellner kommt an unserem Tisch vorbei. Sein Blick ist halb triumphierend, halb vorwurfsvoll: Mein Widerstand ist gebrochen, die Rechnung wird für den Ober aber trotzdem etwas mager bleiben.
Zum Dessert bestellt Philippe jetzt gleich zwei Portionen Mousse-au-Chocolat und eine Flasche Champagner. Wieder einmal eher ungefragt.
Aber ach, egal. »Vive la France!«
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»Andscha, isch habe misch eute abend präschtig amüsiert«, sagt Philippe, als wir aus dem Restaurant kommen. Er hat die Rechnung beglichen, die ich im Übrigen überhaupt nicht zu Gesicht bekam. Erst im Nachhinein fiel mir auf, dass in meiner Speisekarte gar keine Preise gedruckt waren. Von Gleichberechtigung keine Spur.
Auch egal. Ich bin ein bisschen betrunken, was angesichts von so viel Alkohol nach tagelangem Fasten vielleicht auch kein Wunder ist.
»Wir müsen dringendö noch wereinbarren eine Geschäftsessen, es noch gibt zu bespreschen sehrr viel.«
»Das stimmt.« Ich stopfe den vernachlässigten Arbeitsordner in meine Tasche und entdecke dabei mein hektisch blinkendes Handy, das mir einen verpassten Anruf signalisiert. Oh Schreck: Ist das womöglich Jules Tagesmutter? Aber das Display sagt »Nummer unbekannt«. Hm.
»Philippe, entschuldige, ich muss schnell einen Anruf abhören.«
»Janis, ich bin’s, Monika. Ich komme wieder nach Europa! Dann haben wir uns alle …. krrrch …. zu erzählen. Werde erst einmal … krrrch … will aber auch nach … krrrrch … kommen. Oh shit! Die Verbindung ist nicht so … Mach’s gut, Janis-Liebling. Sei nicht immer so pessimistisch. Genieß dein Leben. Nimm alles mit, was du kriegen kannst, okay?!«
Ich
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