Ex en Provence
eben ganz französische Gouvernante. Und Jules Kritik hatte ich zunächst noch für Widerstand aus Prinzip gehalten, den Versuch, mich vielleicht doch noch zu einem Engagement ihrer Ex-Babysitterin/Jetzt-Stiefmutter Alina oder ihresgleichen zu überreden. Und da ist mir Garance ja nun eindeutig lieber!
Aber Madame la Kinderfrau hält schon sehr starr an ihren Erziehungsprinzipien fest. Und überhaupt: Wo bleibt eigentlich diese Garance? Sie hätte doch schon seit zehn Minuten hier sein sollen. Ich werde mein erstes Date in Frankreich vermasseln, weil ich wahrscheinlich noch später eintreffe, als es der lässigste Franzose – und damit auch mein charmanter Beau – jemals wagen würde.
Jetzt steckt Jule ihren Kopf zur Tür herein. »Kommt Garance etwa nicht?«, fragt sie hoffnungsfroh.
Volltreffer, Mademoiselle!
»Doch, doch. Sie muss jeden Moment hier sein.«
»Hm«, Jule legt ihren Kopf ein bisschen schief und scheint angestrengt nachzudenken. »Sonst komme ich eben einfach mit zu deiner Verabredung.«
Prickelnde Aussichten.
10. Kapitel
Am selben Abend, zwanzig nach acht
Im »Le Cinq«
Der Kellner ist sichtlich irritiert.
Ich auch. Seit einer gefühlten Ewigkeit sitze ich nun schon hier allein im »Le Cinq«, von Philippe keine Spur. Dabei war ich – dank Garance, die immerhin doch noch eintrudelte – selbst schon reichlich verspätet, habe aber Philippe von weitem im Restaurant nicht entdecken können. Deshalb habe ich vorsichtshalber noch ein paar Minuten das Restaurant umkreist, um sicherzugehen, einen Alleinauftritt zu vermeiden.
Vergeblich.
Stattdessen sitzen wir – »me, myself and I« – in dem wohl derzeit angesagtesten Restaurant der Stadt, in dem an einem Samstagabend natürlich nur Paare speisen. Etwas unbeholfen blättere ich in meinem Arbeitsordner mit Philippes neckischem Post-it und schreibe schließlich Bettina eine SMS . Hauptsache beschäftigt.
Französin werden ist mit Nordeuropäerinnen-Maßen und intakter Armbanduhr manchmal ein echter Sch…-Job. (20:24, 8. Oktober)
Wovon redest du, Kleines? (20:26, 8. Oktober)
Kenne jetzt das dritte Gebot der Französinnen: Du sollst immer unpünktlich sein. Aber richtig! (20:28, 8. Oktober)
Kann mich nicht an die ersten zwei erinnern. Sorry. Bin auf dem Weg zu Cocktailparty. Wie geht’s dir? (20:30, 8. Oktober)
Schlecht geht’s.
Gut geht’s. Danke. 1. Gebot: Du sollst nicht naschen, 2. Du sollst keine Jogginganzüge tragen. (20:32, 8. Oktober)
Ach so, die. Sind mir egal. Trage zum Training nur Funktionskleidung. Kann auch sehr sexy sein. Außerdem nasche ich sowieso nie, wie du weißt. (20:34, 8. Oktober)
Elende Streberin!
Ich bereite mich jetzt auf das Gefühl des dieses Mal wortwörtlich Sitzen-Gelassen-Seins vor, lasse die letzte Woche Revue passieren und suche nach Hinweisen, dass Philippe unsere Verabredung platzen lassen würde.
Aber die gab es nicht! Vielmehr hatte er sich, wenn wir uns in der »École Polyglotte« über den Weg liefen, praktisch jedes Mal überaus charmant bestätigen lassen, dass ich am Samstag auch wirklich kann.
Trotzdem wünsche ich jetzt vorsichtshalber schon einmal alle Männer endgültig zur Hölle und erwäge den richtigen Zeitpunkt für einen geordneten Rückzug aus dem Restaurant. Und nehme mir vor, nie wieder auch nur annähernd pünktlich irgendwohin zu kommen. Jedenfalls nicht in Frankreich.
#
Fünf Minuten später.
Jetzt reicht’s. Wenn ich vorgebe, die Toilette anzusteuern, kann ich vielleicht ohne große Erklärungen das Restaurant verlassen. Erhobenen Hauptes versuche ich, meinen Stuhl so leise und unauffällig wie möglich nach hinten zu rücken. Sehr gut, jetzt langsam in Bewegung …
Aber klar! Genau jetzt kommt natürlich Philippe zur Tür herein. Er trägt ein weißes Hemd zur schwarzen Anzughose und das Jackett elegant über der Schulter.
Hugh Grant auf dem Weg zur Verleihung der Goldenen Palme in Cannes. Mmmh …
Er hat mich noch nicht entdeckt. Weniger elegant lasse ich mich jetzt wieder auf meinen Stuhl fallen und studiere eifrig meinen Ordner. Der Ober weist Philippe den Weg zu mir.
Wollte ich gerade gehen? Nein!
Habe ich etwa verzweifelt gewartet? Aber nein!!!
»Pardon fürrö meine Värspäää-tun-ge«, sagt Philippe, als er meinen Tisch erreicht. »Isch atte noch eine wischtig Telefonat.«
Natürlich keine schäbige Palme, ehrenvoller Amnesty-Einsatz!
»Es tut mirre leid, isch weiß, dass ihr Deutschen immer seid pünktlisch.«
Nicht mehr
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