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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Ahlswede
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beschert.
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    Donnerstag, 7. Oktober
    Jule hat meine »Krankheit« akzeptiert und heute Morgen einfach ein Schokobrötchen mehr verdrückt. Kaum war sie in der Schule, bin ich zum Joggen aufgebrochen! Zwangsläufig noch in meinem alten Outfit, die Zeit für hautenge Glitzertops und -shorts à la ÜberFranzösin Noémi ist wohl doch noch nicht gekommen. Aber ich habe die Runde ohne Schwächeanfall überstanden, das ist ja auch schon ein Erfolg.
    Zumal ich nachher unterrichten muss und dann sicher wieder Philippe begegne, der mich seit neustem mit einem sehr kontaktbetonten Wangenkuss begrüßt. Wäre doch schade, den wegen akuter Ohnmacht zu verpassen!
    Am Dienstag hat Philippe mir den Ordner mit seinen bisherigen Planungen für diesen Tag der offenen Tür gegeben. Auf der ersten Seite klebte ein Post-it mit der Aufschrift:
    Ich freue mich auf unseren »Geschäftstermin«.
     
    Geschäftstermin in Häkchen, jawohl! Wer braucht bei dieser Aussicht schon etwas zu essen? Zur Arbeit nehme ich heute jedenfalls nur eine große Flasche »Evian« mit, fühle mich wie eine echte Französin – und eigentlich auch schon leicht wie eine Feder. Eine Waage habe ich immer noch nicht erstanden, so dass ich diese Illusion wohl auch noch etwas aufrechterhalten kann.
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    Freitag, 8. Oktober
    Mein Benchmark-Kleid passt!
    Völlig euphorisch beschließe ich, nun ganz französisch shoppen zu gehen und mein uraltes Standardkleid endlich durch etwas richtig Tolles zu ersetzen: vielleicht ein hautenges Etuikleid, am besten in kirschrot oder nachtblau, und dazu noch ein Paar supersexy Pumps.
    Mais oui!!!
    Jule isst heute wieder in der »Cantine«, der Schulmensa, also habe ich fast den ganzen Tag Zeit und kann auch gleich noch Friseur und Schönheitssalon einen Besuch abstatten.
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    Frankreich ist wunderbar! Das Paradies auf Erden!!! Hoffe, dir geht es genauso gut wie mir. Liebste Grüße, Anja (10:12, 8. Oktober)

    Na bestens, wenn es dir so gut geht. Dann leite ich Monika doch einfach direkt ins Paradies weiter. Betty. (10:16, 8. Oktober)

    Mama kommt? (10:17, 8. Oktober)

    Ja, Kleines, deine »Mama« kommt aus den Anden zurück. Etwas überraschend, nicht wahr? Noch in diesem Monat. (10:22, 8. Oktober)
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    Die kleine Boutique sieht sehr einladend aus: Ein bisschen exquisit, aber auch nicht zu klassisch – genau richtig, um meine Abendgarderobe ganz französisch aufzufrischen. Im Inneren neben der Eingangstür steht ein schwarzer Panther aus Porzellan, der den Kunden die Pfote zu geben scheint. So etwas gibt es auch nicht überall! Und im Schaufenster entdecke ich jetzt ein Kleid, in Nachtblau, genau wie ich es mir ausgemalt habe. Das wird mein Stammgeschäft, ich spüre es genau.
    »Welche Größe müsste es denn sein?«, erkundigt sich die sehr elegant gekleidete Dame, die mir eben überaus höflich die Tür geöffnet hat und der ich kurz darauf meinen Wunsch nach ebenjenem Kleid vorgetragen habe.
    »Ich denke, 40 könnte vielleicht passen …«
    Die Verkäuferin, ungefähr mein Alter, einen Kopf kleiner und wahrscheinlich halb so schwer, mustert mich wenig diskret. Ihr Blick schweift über meine Kurven, die ich bis vor zwei Minuten und angesichts der absoluten Leere in meinem Bauch noch als gar nicht so schlecht proportioniert empfunden habe. Jetzt schwindet mein Optimismus allerdings so schnell wie die letzte Kraft aus meinen Beinen.
    »… oder vielleicht auch 42«, murmele ich zaghaft.
    »Hm«, sagt die Verkäuferin und wendet sich einer der zwei Kleiderstangen des winzigen Geschäfts zu und beginnt, in den sündhaft teuren Stofffetzen zu wühlen.
    Ich verspüre jetzt das dringende Bedürfnis, endlich mal wieder etwas zu essen oder mich zumindest ganz dringend hinzusetzen. Aber als ich den neckischen Sessel in der Ecke der Boutique auch nur ansteuere, taucht die Verkäuferin auch schon wieder auf. Mit leeren Händen. Betont einfühlsam und mit einem mitleidigen Blick aus ihren hohlen Augen teilt sie mir mit, dass 42 für mich vielleicht doch etwas zu klein sein könnte.
    »Äh, wieso?«, frage ich und lasse mich in den Sessel fallen.
    »Nun, Madame, ich habe da in ihrem Französisch einen gewissen Akzent gehört, nur ein ganz kleines bisschen natürlich, aber …«
    Und was hat das mit meiner Größe zu tun?
    »Und?«
    »… Madame, woher kommen Sie denn?«
    »Aus Deutschland, aber warum wollen Sie das wissen?«
    »Nun, ich will ja nicht unhöflich sein …«
    … sind Sie aber!
    »… aber ich fürchte, Ihre Größe 42 entspricht

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