Ex en Provence
will mein Handy wieder in die Tasche stecken und verliere dabei ein bisschen das Gleichgewicht.
»Ist etwas nischt in Ordnuunge?«, fragt Philippe.
Das ist ja wie bei unserer ersten Begegnung. Nur dass Philippe jetzt nicht seine Hand auf , sondern gleich seinen ganzen Arm um meine Schultern legt.
Ich lehne mich ein bisschen an.
Meine Schwester würde mich für so viel weibliche Schwäche mit 50 Sit-ups strafen und mich ermahnen, dem schönen Franzosen zu zeigen, wer hier das Heft in der Hand hält.
Meine Mutter würde mir einen Joint anbieten, damit der Abend noch ein bisschen lustiger wird.
Mir persönlich fällt ein, dass Männer ja ziemlich viel Ärger bringen. Und ich schleunigst die Notbremse ziehen sollte. Aber dieser Arm, wie angenehm. Und Philippe riecht irgendwie auch so gut … Mmh …
»Andscha, ça va?«, erkundigt sich Philippe und öffnet sein Cabrio, das er direkt vor dem »Le Cinq« geparkt hat. »Isch werde disch besserr farren nach Ause.«
»Nein, wirklisch nischt nötig …«
Ups.
»… nicht nötig, meine ich. Vielen Dank.«
»Nein, isch kann das nischt verantworten. Du bist den französischen Wein nischt gewohnt. Die Polisei das gar nischt gern sieht, wenn man trinkt und nischt kann farren. Isch kenne jemanden im Ministeri- …«
…öm, ich weiß.
»…öm, der kennt sisch aus damit. Du kannst ab-olen dein Auto morggen.«
Morgen? Da sind wir beide doch längst auf dem Weg in die Karibik, wo wir ein schnuckeliges Anwesen am Meer beziehen und bis ans Ende unserer Tage von Luft und Liebe leben.
»Andscha? Örst du misch? Du scheinst et-was abwesennd. Darf isch bringen disch nach Ause?«
»Erst einmal ja, aber morgen dann in die Karibik!«
»Pourquoi pas?!«
11. Kapitel
Eine Stunde später
Wieder zu Hause
»Ihre Tochter ist wirklich schlecht erzogen«, lautet die vorwurfsvolle Begrüßung von Jules Abendmutter, als ich die Wohnungstür hinter mir zuziehe. »Ein einziges Theater, seit Stunden. Und ihre Suppe hat sie auch wieder nicht gegessen! Ach ja, und ihre Schwester, Madame Kirsch aus Deutschland, hat angerufen, drei Mal!«
Bis vor fünf Minuten hatte ich mich noch gefühlt wie mit 18. Nur dass es Kir, Rotwein und Champagner waren statt Batida de Coco, Blue Curaçao und Asti Spumante, die mein Hirn so angenehm blockierten. Und Philippes Cabrio natürlich schicker ist als der VW Polo von … von … wie hieß er doch gleich? Und küssen kann Philippe natürlich auch besser, Franzose eben. Manche Vorurteile bestätigen sich ja glücklicherweise.
Und manche bösen Vorahnungen leider auch.
Nämlich, dass Garance Dur überaus streng ist und auch bei mir nichts durchgehen lässt. Jedenfalls kein Teenager-Geknutsche im Auto vor der Haustür, wenn sie ihren Arbeitstag längst beendet haben möchte.
Philippe hatte leider in Sichtweite meiner Wohnung geparkt. Und Garance hatte wohl schon ungeduldig am Fenster gestanden und auf mich gewartet. Auf jeden Fall rief sie mich dann auf dem Handy an, erklärte, dass Jules Benehmen untragbar sei und ich jetzt sofort nach Hause kommen müsste. Weit hätte ich es ja nicht mehr.
In diesem Moment sah ich sie oben am Fenster stehen.
Und da zeigte sich die Schattenseite des »Ich-bin-wieder-18-Feelings«, denn jetzt hatte ich in meiner eigenen Wohnung noch weniger sturmfreie Bude als damals in der Frauen-Kommune, in der meine Mutter mit uns wohnte.
Philippe wäre sicher gern noch auf einen Café mitgekommen, aber er blieb unter diesen Umständen lieber im Auto und gab sich ganz verständnisvoll. Trotzdem zweifelte ich daran, dass er jemals noch einmal Interesse haben wird, mit einer alleinerziehenden Mutter auszugehen. Jedenfalls nicht mit mir. Ich winkte ihm bei seiner Abfahrt zaghaft zu und wankte kurz darauf die knarzende Treppe nach oben.
Garance Dur verlangt umgehend ihren Wochenend-Nachttarif, in bar, und stürmt aus unserer Wohnung, in die nach ihrem wütenden Gezeter endlich Ruhe einkehrt.
Aber was ist das? Ich höre Jule in ihrem Zimmer leise weinen. Als ich ihre Tür öffne, sitzt sie auf ihrem Bett, mit geröteten Augen, Kuschelfrosch Napoleon fest umschlungen.
»Julchen, was ist denn bloß los?« Ich setze mich zu meiner Tochter aufs Bett und drücke sie an mich – krank vor Schuldgefühlen und voller Wut auf Garance, die wer weiß was mit Jule angestellt hat, und vor allem auf mich, dass ich uns in diese Lage manövriert habe.
Rabenmutter!
»Sie hat mich nich ans Telefon gehen lassen. Aber das war doch Betty! Das habe ich an
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