Ex en Provence
etwas Stimmung gebracht.«
»Ja, sicher. Vielen Dank noch einmal für das Angebot, aber Jule ist überglücklich, dass ich sie bei Chloé und diesem Sturkopf von Vater übernachten lasse.«
»Das ist aber schon nett von dem Leroy, dass er Julie einlädt, oder? Wie hast du das bloß gemacht? Auf die französische oder die deutsche Art?«
»Wie geht denn deiner Meinung nach die deutsche Art?«
»Nun, sehr direkt und ziemlich resolut …«
Ah, die harte Befehlsnummer. Hatte ich das vor? Naaahein …
»… so waren die Mädels jedenfalls immer bei meinem Schüleraustausch. Wir Französinnen haben uns immer gewundert, dass die Jungs das mitgemacht haben. Ihr seid die Bosse. Das funktioniert mit den Männern hier nicht. Man muss ihnen zumindest das Gefühl geben, der Überlegene zu sein.«
»Hm, das war bisher tatsächlich nicht so mein Stil. Was ist denn mit der Gleichberechtigung?«
»Ach was, viel zu kompliziert. Immer schön charmant und verheißungsvoll lächeln. Dann bekommt man alles, was man will. Das hat bei meinem ›petit copain‹ in Deutschland damals auch sehr gut geklappt.«
»Kann ich mir vorstellen. Aber irgendwie auch heikel.«
»Ach was. Das kriegen schon kleine Mädchen hin: anschmiegsam und zielbewusst, wie eine Katze. Das funktioniert grandios.«
»Tja, die Strategie dürfte dann wohl Chloé bei ihrem Vater angewandt haben. Wahrscheinlich hat sie ihn dazu gebracht, Jule einzuladen. Ich hätte da jedenfalls keine Chancen gehabt.«
»Na, Hauptsache, Julie ist glücklich und du kannst dein Rendezvous so richtig genießen.«
»Ich weiß schon, wie: Immer schön schnurren, und alles hört auf mein Kommando, richtig?«
»Na ja. So ungefähr.«
#
Am Abend
Bei Chloé
Die Musik ist laut. Sehr laut. Aber auch sehr, sehr gut: Dire Straits, »Sultans of Swing«, fast bis zum Anschlag aufgedreht. Der Putz in dem bekanntlich ziemlich renovierungsbedürftigen Treppenhaus bröckelt wortwörtlich, als ich bei Chloé vor der Tür stehe – mit einer aufgeregt hüpfenden Jule im Schlepptau, ihrem Köfferchen für Wochenendreisen und meiner eigenen etwas nervösen Vorfreude auf meine Verabredung mit Philippe.
Chloé, heute etwas blass um die große Nase, hat uns die Tür geöffnet und den Blick freigegeben auf Eric, der jetzt mit zwei Flaschen Bier in den Händen am hinteren Ende des weitläufigen Flurs auftaucht. Er ruft mir irgendetwas zu, was ich aber wegen der lauten Musik nicht verstehe. Die Nachbarn müssen entweder taub sein, zu den Gästen gehören oder ihn spätestens übermorgen verklagen. Wie immer trägt Eric eine Jeans, über der heute lässig ein hellblaues Hemd hängt. Die Ärmel hat er hochgekrempelt.
Zum ersten Mal seit langer Zeit, vielleicht zum ersten Mal seit meinem Umzug nach Frankreich, fühle ich mich tatsächlich ein wenig overdressed in meinem Wuchtbrummen-Anzug, den ich für heute Abend ausgewählt habe. Nein, das Benchmark-Kleid ist inzwischen wirklich zu kalt, und … ach, irgendwie auch ein ganz, ganz kleines bisschen zu eng. Unter der Jacke trage ich mein glänzend rotes Top und an den Füßen – der Internet-Handel mit Übergrößen macht es möglich – meine neuen Auch-in-Größe-42-supersexy-Pumps.
Auf denen stehe ich jetzt mal wieder ziemlich verloren im Türrahmen, denn Jule ist längst mit Chloé verschwunden, Eric kommt auf mich zu und bringt eine Wolke Pizzaduft mit.
Mmh, im Ofen brutzelt sicher eine leckere Quattro Stagioni …
»Hallo! Wichtige Verabredung heute, was?«, fragt Eric, mustert mich, klemmt sich ein Bier unter den Arm und streckt mir zum Gruß die Hand entgegen.
Huch.
Dabei hatte ich mich schon auf eine besonders unhöfliche bis nicht existente Begrüßung gefasst gemacht.
»Möchten Sie auch ein Bier?«, erkundigt sich Eric und hält mir eine der Bierflaschen entgegen, noch bevor ich diese geradezu intime Begrüßung per Handschlag meines ärgsten Feindes irgendwo einordnen kann.
»Nein, danke, ich bin nicht so an Bier gewöhnt«, zitiere ich Nathalie – eine glatte Lüge in meinem Fall.
»Ehrlich? Na, dann nicht.« Chloés Vater lässt seinen Arm mit der Bierflasche sinken und schiebt die Wohnungstür langsam mit dem Fuß zu.
Ja, da war er wieder, Monsieur Leroy, der Super-Gentleman.
»Sie können Julie morgen im Laufe des Vormittags abholen. Auf Wieder…«
Ȁh, Moment, hier ist noch meine Handy-Nummer. Falls es irgendwelche Probleme geben sollte. Aber eigentlich hat Jule kein Heimweh. Sie hat schon oft bei Freundinnen
Weitere Kostenlose Bücher