Ex en Provence
Urlaubspläne? Es tut mir leid, dass ich an dem geplanten Termin nicht da bin. Ich begleite Jules Klasse auf einen Bauernhof. Dafür muss ich eine Doppelstunde Unterricht schwänzen – und eine Magen-Darm-Grippe werde ich dann wohl nicht vorschieben können. Hoffentlich habe ich hinterher nicht gleich die nächste.
So, Bettina, meld dich doch bald mal wieder. Muss ja nicht gleich ein so langer Brief sein wie dieser. Aber: Auch wenn wir uns manchmal etwas anzicken, deine Klartext- SMS fehlen mir schon ein bisschen.
Liebe Grüße
Deine Anja
PS: Hast du Neuigkeiten von Mama?
PPS: Wie geht es »deinem« Hugh Grant eigentlich?
PPPS: Ja, du hast natürlich mal wieder Recht: Meiner ist vielleicht doch ein kleines bisschen mehr als ein Kollege.
… wenn vielleicht auch nicht der ideale Patchwork-Vater.
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»Hm, das war ja nicht so nett, oder?«, fragt Nathalie, der ich eben am Telefon erst vom jähen Ende meines Dates berichten kann. Aus Rücksicht auf Jule hatten wir das Thema vorher vermieden, als Nathalie zur Krankenpflege vorbeikam.
»Ach eigentlich habe ich Philippe die Flucht im Taxi längst verziehen«, sage ich. »Ist ja mehr als menschlich, und genützt hat es ihm auch nichts. Am Telefon hat er wirklich sehr gelitten: unter dieser Krankheit selbst und weil sie uns so brutal voneinander getrennt hat. Das hat er wirklich hübsch formuliert.«
»Hm«, murmelt Nathalie mit immer kritischerem Unterton.
»Und schlimmer ist ja noch, dass wir uns jetzt so lange nicht wiedersehen.«
»Warum?«
»Weil Philippe jetzt erst einmal in Urlaub gefahren ist.«
»Ohne dich?«
»Diese zwei Wochen Skiurlaub mit seinen ›copains‹ sind schon seit Monaten geplant. Sie fahren in eine Skihütte, irgendwo ganz oben, Les Deux Alpes oder so. Sie gehört seiner Familie, und Philippe revanchiert sich nun bei seinen Freunden für Konzertkarten, Autoreparaturen …«
»Verstehe. Anja, ehrlich gesagt, frage ich mich …«
»Ja, ich weiß, was du sagen willst. Als er mir gestern seine Pläne eröffnet hat, ist meine Stimmung auch rasant auf den absoluten Nullpunkt gesunken. Aber vorhin kam eine SMS , die allein schon wegen der vielen Grammatikfehler so bezaubernd ist, dass es mit meiner Laune sofort wieder etwas bergauf ging. Ich lese sie dir vor, okay?«
»Anja, ich weiß nicht, aber …«
»Also, Philippe hat geschrieben …
Anja, mein Herz. Ich habe schlecht dir zu erklaeren, wie du mich vermisst. Ich zaehle das Tage bis wir uns das Wiedersehen. Ich kusse dich, Philippe.
Entzückend, oder? Also ehrlich gesagt hat mich erst ein bisschen irritiert, dass er die Tage bis zu unserem Wiedersehen zählt. So ähnlich hatte Ralph, mein Ex, seine fehlgeleitete SMS an die Babysitterin formuliert. Aber wie soll man auch sonst seiner Sehnsucht Ausdruck verleihen, oder?«
»Ja, natürlich, nur dass …«
»Jedenfalls fand ich Philippes SMS so wunderbar romantisch, dass ich ihn sofort angerufen habe.«
»Und?«
»Fehlanzeige.«
Genau genommen hatte ich statt Philippe eine sehr weibliche, sehr sinnliche Stimme am Telefon, die mir auf Französisch erklärte, dass mein gewünschter Gesprächspartner nicht zu sprechen sei. Ihrem Tonfall nach zu urteilen hätte sie auch Werbung für Telefonsex machen können. In Frankreich sind sogar die Mailbox-Damen irgendwie sexy.
»Und? Hast du eine Nachricht hinterlassen?«
»Nein. Aber ich werde ihm gleich eine SMS schicken. Das ist doch eine gute Idee, oder?«
»Ja, vielleicht«, murmelt Nathalie. »Ich frage mich nur, ob … oh, Anja, entschuldige, aber Lucille ist wieder aufgewacht. Ich muss mich um sie kümmern. Jonathan packt schon das Auto. Wir wollen morgen ganz früh los. Wir sprechen uns nach den Ferien!«
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Lieber Philippe, ich vermisse dich auch sehr und kann es kaum abwarten, dich wiederzusehen. Kuss, deine Anja. (24. Oktober, 21:56)
Ach, ich bin mit dem Leben versöhnt. Jetzt schreibe ich selbst solche SMS , mit denen Ralph unsere doch furchtbar eintönige Ehe beendet hatte. Alles wird gut und Philippe sicher sofort antworten.
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Kurz nach Mitternacht
Ich gehe jetzt ins Bett, keine SMS .
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Am nächsten Morgen
Mein Handy signalisiert blinkend eine Nachricht.
Ouiiii! Sie ist von Philippe.
Mein liebes Kirschchen. Du mir fehlst enorm. Es gibt keinen Sinn fur das Leben ohne dich – auch nicht auf das Piste. Mit mein ganzes Herz, Philippe. (25. Oktober, 10:34)
Entzückend! Sogar das »Kirschchen« gefällt mir! Allerdings habe ich doch etwas Schwierigkeiten, mir
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