Ex en Provence
ich habe Jonathan schließlich herumgekriegt, dass er mit ihr spricht. Und das hat geklappt.«
Ich nahm mir vor, bei Gelegenheit die Spielregeln in französischen Familien genauer zu recherchieren. Zuerst werde ich aber Philippe für dieses Wochenende absagen müssen. Ein erster Anruf scheiterte schon mal wieder. Also eine SMS , die kommen ja meistens doch irgendwann an.
Lieber Philippe, ich würde furchtbar gern mit dir nach Paris fahren. Wäre vielleicht auch ein anderes Wochenende möglich? Kuss, Anja (26. Oktober, 22:56)
Am liebsten hätte ich noch hinzugefügt:
Vielleicht hätten wir den Termin vorher besprechen können? Das ist ja ein bisschen kurzfristig. Und hatte ich dir nicht sogar von der Klassenfahrt erzählt?
Aber damit hätte ich mich ja gleich wieder als überorganisierte, überfeministische Deutsche geoutet, die sich nur ungern die Zügel aus der Hand nehmen lässt. Und sicher sollte die Reise eine Überraschung sein, sehr leidenschaftlich, sehr spontan. Philippe ist eben ein echt französischer Liebhaber. Aber irgendwie auch ganz schön unpraktisch, wenn die Termin-Koordination nicht klappt.
19. Kapitel
Samstag, 6. November
Nach 15 Kilometern morgendlichem Waldlauf (Bettina)
Nach zwei Schüsseln Müsli und drei Café crème (Anja)
»… was soll’s?«, schnaubt Bettina ins Telefon. »Wir hatten eine schöne Zeit. Und warum sollte nicht auch ich mal verlassen werden«, schließt meine Schwester ihre Leidensgeschichte der vergangenen Wochen. Tatsächlich und wohl zum ersten Mal in ihrem Leben hat sich einer ihrer Lover zuerst verabschiedet: Oliver aus dem Devisenhandel. Tja, das ist eine schnelllebige Branche.
»Zum Schluss schien er sich mit Monika besser zu verstehen als mit mir«, faucht Bettina. »Dann kann er auch gerne gehen.«
»Mit Mama?«
»So könnte man sagen.«
»Wie jetzt?«
»Ich möchte die Details gar nicht so genau wissen. Also auch nicht darüber reden. Sie hat ein paar Tage bei mir Station gemacht und ist dann zu einem Psychologie-Workshop verschwunden. Irgendwo auf dem Land, in einem Schloss. Und Oliver zog am selben Tag aus.«
»Hm. Bei mir hat sich Mama noch gar nicht gemeldet.«
»Oooooh, du Arme. Jetzt aber nicht weinen, okay? Sie hatte einfach keine Zeit, nehme ich an. Ihr geht es bestens, mach dir bloß keine Sorgen! Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich beide los bin, Monika und Oliver. Aber sag mal, Klei… äh … Anja. Wie läuft es denn mit deinem … warte … ich hab’s gleich, genau, Philippe? Was macht er so?«
Tja, gute Frage.
»Schwer zu sagen. Er macht sich vor allem rar, aber überschüttet mich mit Blumenlieferungen und Textnachrichten.«
»Ich verstehe gar nichts.«
Ich auch nicht.
»Also, wir hatten ja dieses recht vielversprechende Date, eigentlich immer noch ein Geschäftstermin, aber irgendwie dann doch sehr romantisch. Nur leider ging es etwas abrupt zu Ende, weil …«
»Oh Anja, nicht schon wieder!«
»Bettina, das war wirklich nicht meine Schuld.«
Ein Integrationspunkt für mich: »Das ist nicht meine Schuld« gilt unter kritischen Kennern als einer der Lieblingssätze der Franzosen …
»Ist ja gut. Was war also los?«
»Also, zuerst waren wir in diesem Konzert. Etwas merkwürdig, aber …
…
…
Tja, und am Ende waren wir alle krank, hab ich dir doch schon geschrieben: Jule, ich und Philippe auch. Ja, und dann ist er in Skiurlaub gefahren …«
»Skiurlaub? Einfach so? Ohne dich?«
»Ja, ja und ja. Aber per SMS hat er mich gleichzeitig zu einer Paris-Reise eingeladen.«
»Wusste ich’s doch! Habe doch gleich gesagt, dass du auf einen Romantik-Trip fährst. Toll, Klei…«
»Warte! Ich musste aus Termingründen absagen.«
»Wie bitte? Absagen? Aus Termingründen?!«
»Ja, der Bauernhof mit Jule.«
»Anja, das ist doch jetzt nicht wahr, oder?«
»Doch. Du hast keine Tochter, also keine Ahnung!«
»Ist ja gut. Und dann?«
»Nichts dann. Philippe meldete sich nämlich einen Tag lang nicht auf meine SMS mit der Absage. Natürlich konnte ich mich nur mit Mühe zurückhalten, ihn auf dem Handy anzurufen …«
… aber das wäre ja wohl nicht im Sinne der unnahbaren Schönheit gewesen, die ich ja nun mal sein will. Apropos Schönheit: Ich muss dringend mal wieder meine Augenbrauen zupfen und meine French Manicure restaurieren lassen.
»… und dann hat er eine SMS geschrieben. Warte, ich lese sie dir vor:
Oh, mein Herz, es wohl soll nicht sein. Sind wir wie eine tragische Paar der Liebe, die nicht finden
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