Ex en Provence
durchaus eingehen.
Und schon ein paar Minuten später erreichen wir sicher das Appartementhaus von Eric Leroy. Philippe manövriert meinen Kombi direkt vor der Haustür in eine winzige Parklücke – nach sehr französischer Methode, bei der das Scheppern von Stoßstange an Stoßstange dezent mitteilt, dass nun zum Rangieren kein Platz mehr bleibt.
Die Musik dringt noch um einiges lauter aus Erics Wohnung als vor ein paar Stunden, als ich Jule hier abgeliefert habe.
Wir klingeln. Nichts passiert.
»Ich werde vom Handy aus anrufen«, sage ich. »Das Telefon hören sie vielleicht eher als die Türklingel.«
»Wie du meinnst, Chérie«, murmelt Philippe etwas abwesend und blickt auf das Taxi, das mit laufendem Motor neben uns auf der Straße steht.
Der Fahrer hat eben schon zweimal gehupt, war aber auch nicht gehört worden. Jetzt steigt er aus seinem Auto aus, schlägt wütend mit der flachen Hand auf die Kühlerhaube und brüllt: »Merde!«
Philippe winkt ihm zu. Er will ihm sicher behilflich sein. Gleich wird er ihm sagen: »Monsieur, wir versuchen auch, jemanden bei dieser schrecklich lauten Feier auf uns aufmerksam zu machen. Wenn wir drin sind, sagen wir Bescheid, dass draußen ein Taxi wartet.« Im Sinne der Solidarität, französisch eben.
Doch Philippe wendet sich an mich: »Liebbling, isch werde eimge-enn. Deine Tochtär braucht disch jetzt sischer ganz für sisch allein. Isch küsse disch«, sagt er und winkt mir zu, als stehe er auf einem Karnevalswagen und ich in der Menschenmenge. »Offentlich du ast disch nischt angesteckt bei deine Tochter«, fügt er hinzu. »Und ischh mich nischt bei dir, du verstähst?«
Durchaus.
Philippe wendet sich dem Taxifahrer zu, klopft ihm kumpelhaft auf die Schulter und verhandelt kurz. Dann steigen beide ein und brausen davon.
Als ich noch den Rücklichtern des Taxis hinterherstarre, das meinen geplatzten Traum vom perfekten Patchwork-Vater nach Hause oder wer weiß wohin befördert, geht hinter mir die Haustür auf, und Eric Leroy tritt auf die Straße. In seinem Arm hält er Jule, die ihren Kopf an seine Brust gelehnt hat. Sie erscheint mir plötzlich viel kleiner als noch vor ein paar Stunden. Sie wirkt so zart und sehr verletzlich.
»Ich bringe sie Ihnen ins Auto«, erklärt Eric und steuert auch schon meinen Kombi an.
Jule, bleich wie zerflossener Camembert, hebt ihren Kopf, blinzelt mich an und flüstert: »Mama, mir is soooo schlecht.«
»Ich weiß, mein Schatz, du bist ein bisschen krank. Aber dir geht es bestimmt ganz schnell wieder besser.«
Jule antwortet nicht, schließt wieder die Augen und kuschelt sich an Eric.
Hallo? Eigentlich sollte Jule doch jetzt zu mir wollen! Ihre Ärmchen um meinen Hals schlingen und sich von mir trösten lassen!
Zur Nebendarstellerin degradiert, gehe ich neben Jule her und streiche ihr über die Haare. »Wir fahren jetzt nach Hause, dann wird alles wieder gut, okay?«, flüstere ich.
Jule antwortet immer noch nicht. Ich wende mich an Eric Leroy: »Vielleicht sollte ich lieber mit Jule direkt ins Krankenhaus fahren, so schlecht, wie sie aussieht.«
»Nein, nein, das ist nur die ›gastro‹, Magen-Darm-Grippe«, sagt er. »Die hatte Chloé bereits gestern. Heute ging es ihr aber schon besser.«
Na, prima, das hätten Sie mir ja vorhin mal sagen können, dass Chloé schwerkrank und hochansteckend war, als ich sie hier abgeliefert habe. Dann hätte ich Jule doch gleich wieder mitgenommen, mein Date abgesagt, mir dieses schwachsinnige Konzert erspart, keine hüpfenden, zuckenden oder kriechenden Spezialitäten zu mir genommen, und alles wäre gut gewesen. Aber an so etwas denkt jemand wie Sie natürlich nicht!
»Monsieur Leroy! Sie hätten mir ja auch mal sagen können, dass …«
»Da kann man nichts machen. Die ›gastro‹ erwischt jeden einmal.«
»Ach ja?«
»Ja«, gibt Eric zurück und lässt Jule jetzt auf den Kindersitz gleiten, schnallt sie an, schließt die Tür und beäugt kritisch mein Auto. »Kommen Sie denn da wieder raus?«, fragt er.
»Wo raus?«
»Na, aus der Parklücke«, sagt er und zeigt auf meinen Autoschlüssel. »Soll ich?«
»Nein!«
17. Kapitel
Gut eine Woche später, abends
Zuhause auf dem Samtsofa (allein, tja …)
Ich räume die diversen Ordner meines Handys auf und stolpere über Bettinas letzte SMS .
Sorry, sei wieder lieb. Dein Schwesterherz. (12. Oktober, 16:19)
Oh! Das ist schon fast zwei Wochen her. Und seitdem haben wir keinen Kontakt mehr gehabt. Dabei bin ich
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