Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Ahlswede
Vom Netzwerk:
inzwischen gar nicht mehr richtig wütend auf Bettina. Eigentlich fehlt sie mir sogar ein bisschen. Der alte Zwilling-Zwang kommt wieder durch. Ich werde meiner großen Schwester also einen Brief schreiben, einen richtigen, auf Papier. Ganz altmodisch …
    L’Oublie-en-Provence, 24. Oktober
    Liebe Bettina,
    heute bekommst du einen richtigen Brief, mir ist gerade danach. Ich habe in den letzten Tagen öfter vergeblich versucht, dich zu erreichen. Und nun herrscht zwischen uns schon seit fast zwei Wochen Sendepause. Aber immerhin habe ich es in der Zwischenzeit sogar geschafft, endlich mal meinen Berliner Freundinnen und Kolleginnen vom Stand der Dinge zu berichten.
    Dabei gab es zuletzt leider nicht viel Erfreuliches, Jule und ich waren nämlich beide krank. Nein, eigentlich nicht wir beide, jedenfalls nicht gleichzeitig, sondern immer schön der Reihe nach: Zuerst litt Jule zwei Tage lang unter der berüchtigten Magen-Darm-Grippe. Die »gastro« erwischt hier tatsächlich jeden irgendwann einmal. Aber, ehrlich gesagt, wenn ich eine Mikrobe wäre, würde ich mich auch in Südfrankreich niederlassen: angenehm mildes Klima, viel Rohmilchkäse und wenig Kinder, die sich in entscheidenden Momenten mal die Hände waschen würden. Jule dürfte sich bei ihrer Freundin angesteckt haben. Aber das ist ja im Nachhinein auch nicht so wichtig. Jedenfalls ließ Jule sich von mir verarzten und ausgiebig verwöhnen. Am dritten Tag ihrer Krankheit fand sie wohl einfach Gefallen an der vielen Cola, die ich ihr zu trinken gab, und den unzähligen Büchern, die wir zusammen lasen, sowie dem Dauer-Fernsehen, das ich ja nur in Ausnahmefällen dulde. Aber eigentlich war sie längst wieder gesund.
    Dann war ich allerdings an der Reihe. Die fiesen Viren brauchten bei mir etwas länger, um sich durchzusetzen, denn mit den ersten Symptomen hatte ich leider schon Tage zuvor beim Besuch eines sterneverdächtigen Restaurants mitten auf dem Land zu kämpfen. Und dann wurde ich richtig krank! Ich weiß, ich soll mich nicht so anstellen, aber du hast ja auch noch nie eine gut erholte Fünfjährige zuhause gehabt, während du dich selbst nur mit Mühe auf den Beinen halten konntest.
    In der »ÉEcole Polyglotte« musste ich mich bei meiner erwartungsgemäß wenig verständnisvollen Chefin krankmelden. Das war kein großes Vergnügen. Zumal auch mein Kollege Philippe (ja, Hugh Grant), mit dem ich übrigens an jenem Abend essen war, ebenfalls krank geworden war. Anscheinend hatte es ihn noch schlimmer erwischt als mich, jedenfalls hatte ich am Telefon den Eindruck, dass er ziemlich leidet.
    Ich selbst bin gar nicht mehr aus dem Haus gegangen. Abwechselnd haben meine Freundin Nathalie und unsere Vermieterin, Madame Croizet, den Schulweg mit Jule übernommen. Also, den Hochmut der Franzosen, die angeblich jahrelang neue Nachbarn ignorieren, kann ich nicht bestätigen. Aber vielleicht ist das auch eher in Paris so, hier jedenfalls nicht! Einmal kam sogar dieser anstrengende Vater von Jules Freundin Chloé vorbei. Unangemeldet stand er um halb neun mit Chloé vor der Tür, um Jule zur Schule zu bringen. Und um eine DS in unsere Wohnung zu schmuggeln, wie mir erst heute klar geworden ist. Die war in der Tüte mit der Cola und den Salzstangen versteckt, die er mir wortlos überreichte. Cola und Salzstangen! Das war eine echte Überraschung, schließlich vertrauen die Franzosen eher auf Chemiekeulen im Großformat.
    Nathalie und Madame Croizet haben sich einen richtigen Wettstreit geliefert, wer die größte Tüte aus der winzigen Apotheke unseres Dorfes zu mir schleppen kann. Jeden Tag kamen neue Medikamente, die mich schnell wieder auf die Beine bringen sollten. Als Erstes kippte mir Nathalie die Rote-Kreuz-Entwicklungsländer-Grundausstattung auf den Küchentisch. Die hatte ich zum Glück schon weggeräumt, als Madame Croizet kurze Zeit später mit einer Tüte voll Elektrolyt-Lösungen, Pillen und Pulvern aufkreuzte, die auch für ein ganzes Dorf im Sudan gereicht hätten.
    Inzwischen geht es mir schon viel besser. Ich fühle mich mindestens fünf Kilo leichter – eine praktische Seite der »gastro« – und voller Tatendrang. Aber ausgerechnet heute fangen die Allerheiligen-Ferien an, so eine Art Herbstferien. Auch die Sprachenschule hat geschlossen, und unser Dorf ist wie ausgestorben. Bald sind wirklich alle weg. Nathalie fährt zum Beispiel morgen mit ihrer Familie ans Meer, um noch die letzten Sonnenstrahlen auszukosten.
    Wie steht es denn um deine

Weitere Kostenlose Bücher