EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung
hier und heute abspielt sprengt alle Dimensionen«, kommentierte Judith Roth fassungslos.
»Kann endlich jemand den Ton wegschalten!«, bellte Warren in den Raum. Dann lehnte er sich zurück und beobachtete die Gesichter der anderen, als der tote Kenneth Williams in einem schwarzen Body Bag von zwei Mitarbeitern Landlers in den Kühlraum nebenan getragen wurde. Bis zur Beerdigung am kommenden Donnerstag war dies seine vorübergehende Ruhestätte.
Das kurze Gespräch mit Mattei erlaubte es Isler, ein weiteres Detail – ob relevant oder nicht, würde sich weisen – zur grafischen Darstellung seiner These hinzuzufügen. Er saß seit seiner Rückkehr vom Flugplatz Belp wieder in seinem Kellerbüro und dachte nach. Seine Frau Angela war einige Zeit damit beschäftigt gewesen, den Nachbarn zu erklären, warum er mit Blaulicht und Sirene durch die Gegend gefahren war; sie hatte irgendetwas von einer Übung erzählt. Wieder einmal erwies sie sich als ideale Frau eines SND-Mitarbeiters, wie Isler zufrieden feststellte.
»Es lebe Eurasien! Es lebe das neue Amerika! Es lebe die neue Welt!«, hatte der Sprecher des Kongresses, Art Sinshy, beim Pearlbridge-Treffen in Rom gesagt. Mattei, der zum ersten Mal eingeladen worden war, hatte die Worte nicht vergessen. Zu seltsam hatten sie in seinen Ohren geklungen. Zu unwahrscheinlich für den Sprecher des US-Kongresses. Mattei hatte Isler vor seinem Abflug erzählt, wie er sich mit einem seiner Tischgenossen damals über Sinshys Trinkspruch mokiert hatte. »Der Sprecher des US-Kongresses hebt sein Glas auf Eurasien! «
Natürlich – der Spruch lud dazu ein, alles Mögliche hineinzulesen. Er war eigentlich keinesfalls geeignet, als Indiz gewertet zu werden. Trotzdem. Er ließ Isler nicht mehr los.
Der Trinkspruch des Sprechers erinnerte Isler an die Heartland Theory. Der britische Gelehrte Halford Mackinder hatte damit darstellen wollen, wie die menschliche Geschichte Teil des Lebens des Weltorganismus sei. Er hatte 1904 Aufsehen erregt, als er in seinem Traktat The Geographical Pivot of History (Der Geographische Drehpunkt der Geschichte) dargelegt hatte, wie die Kontrolle über das Gebiet zwischen Osteuropa und dem Pazifik – dem Herzland – der Schlüssel zur Kontrolle der ganzen Welt sei. 1919 fasste Mackinder seine Theorie in einem seither prominenten Dreisatz zusammen:
Who rules Eastern Europe commands the Heartland
Who rules the Heartland commands the World Island
Who rules the World Island commands the World!
Die Wichtigkeit des Herzlandes war vor dem Zweiten Weltkrieg auch dem deutschen Geopolitiker Karl Haushofer nicht entgangen. Dessen Drang nach Osten hatte Adolf Hitlers Außenpolitik beeinflusst – die sich letztendlich als ziemlicher Flop entpuppte.
Die plakative Verkürzung, wusste Isler, führte immer wieder zu unlässigen Vereinfachungen der Heartland-Theorie. In Zeiten asymmetrischer, psychologischer, ökonomischer und finanzieller Kriegsführung und vor dem Hintergrund von Massenvernichtungswaffen, die während Mackinders Lebzeiten noch nicht existiert hatten, schien sie an Relevanz verloren zu haben. Die Frage war nur: Wussten das alle?
Eine andere Frage, die Isler nicht losließ, lautete: Wenn seine These stimmte, wieso wählte man dann für das Projekt einen uncharismatischen Klotz wie Vince Osman?!
First Lady war im Jagdfieber. Mit weit aufgerissenen Augen pirschte sie sich an ihre Beute heran. Ihre Bauchhaare berührten den Teppich des präsidialen Wohnzimmers, die Schwanzspitze zuckte aufgeregt hin und her. Als sie in Sprungweite war, machte sie einen Satz aufs Sofa und biss in die Spitze des Kugelschreibers, mit dem Präsidentin Adams ihre Rede überarbeitete.
»Wirklich, ich kann so nicht arbeiten«, kicherte Adams. »Geh lieber Ratten fangen; davon gibt es genug in Washington.«
Doch First Lady hatte ihre eigenen Pläne. Nach einigen Rückwärtsschritten in geduckter Haltung hechtete sie todesverachtend zwischen die Blätter des Redemanuskripts.
»... islamische Terroristen. Nein. ›Islamisch‹ wird gestrichen. Nur ›Terroristen‹«, murmelte die Präsidentin vor sich hin. Mit Schaudern dachte sie daran, was der Republik eines Tages bevorstehen könnte, wenn es jemals zu einer wissenschaftlichen Untersuchung der Vorgänge des 11. September käme. Wenn man die Informationen zusammentragen würde, die seit langem bekannt und unbestritten waren. Sie war schockiert, als ihr vor Jahren
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