EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung
heute Abend erwartet wurde, erhielt Isler den Auftrag, alle Vasen mit neuen Rosen zu füllen. Dazu musste er zuerst zweihundertfünfzig Rosen, deren Blüten gerade aufgingen, im Gewächshaus ernten, sie anschneiden, in Transportvasen zwischenlagern, sie auf einem für diesen Zweck angefertigten Wagen befestigen, den Wagen zu einem Nebeneingang der Villa ziehen, sich per Gegensprechanlage um eine Begleitperson bemühen, die alten Rosen einsammeln und auf den Kompost bringen, frisches Wasser in die Vasen füllen oder neue, von der Hausdame ausgesuchte Vasen aufstellen, und dann die Rosen sorgfältig in den Vasen anordnen. Ihm wurde eingeschärft, dass Sinshy nur eine Rosenart in seinem Büro duldete: Gloria Dei – Ehre sei Gott. Ihre Blütenblätter waren im Inneren hellgelb, nach außen diffundierte die Farbe in ein leichtes Rosa. Im Eingangsbereich wünschte Sinshy nur Queen-Elisabeth-Rosen. Ansonsten war es an Isler, aus den über fünfzig verschiedenen Arten zu wählen. Allerdings durfte in jede Vase nur eine Rosenart.
Der erste Schneefall erinnerte Isler daran, wie wenig Zeit ihm blieb, seine Mission erfolgreich abzuschließen.
65
Politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und religiöse Kräfte in der ganzen Welt waren gezwungen, ihre Haltung zur Frage der texanischen Sezession zu bestimmen.
In Europa waren es Bundeskanzler Bartholdy und die französische Präsidentin Bailly, die einen Gegenpol zur Haltung des britischen Premiers Millner bildeten. Millner repräsentierte aber keineswegs das gesamte britische Politestablishment. Die Beziehung zu seinem Freund Lord Mather hatte in den letzten Wochen sehr gelitten. Jede Andeutung von Millner, man müsse Verständnis für den Wunsch der Texaner nach ›Freiheit‹ haben, wies Mather sofort als grotesk zurück. Die beiden wurden schnell zu den Meinungspolen in Großbritannien. Mather, seit mehr als einem halben Jahrhundert in der Politik, erkannte vom ersten Tag an, dass es in Texas nicht um Freiheit ging, sondern um eine lange zuvor eingefädelte Kampagne. Die Sache stinkt , hatte ihn die London Times einmal zitiert, ohne die Aussage auszuführen. Ohnehin war vielen erfahrenen Politikbeobachtern klar, dass hinter der Sezessionsbewegung mehr steckte als der spontane Wunsch nach Souveränität.
Der Riss ging nicht nur quer durch Europa, sondern spaltete auch das EU-Sekretariat. Der deutsche Präsident des Sekretariats, Wolfgang Kröner, schlug sich auf Millners Seite und ließ Journalisten im Vieraugengespräch – »Ich verlasse mich darauf, dass Sie mich nicht zitieren« – wissen, dass die Welt Zeuge des Zerfalls der USA sei. Er verglich die Situation der USA 2016 mit der Sowjetunion 1989, Texas mit der DDR.
In Russland, China und dem arabischen Raum war die Situation ähnlich. Zwei Lager bildeten sich heraus. Eines sah, zweihundertvierzig Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung, das Ende der USA gekommen, das andere rümpfte die Nase über die plumpe Kampagne, die ganz offensichtlich politisch motiviert war. Israel war eines der wenigen Länder, dessen politischen Klasse sich geschlossen gegen die Idee der Sezession wandte, weil man um die Stärke der Schutzmacht USA fürchtete.
Politiker in Kanada hielten sich vollkommen aus der Sache heraus. Ab und zu machte man private Bemerkungen gegenüber Journalisten, aber es hatte sich die Meinung durchgesetzt, dass man die Amerikaner allein entscheiden lassen solle.
Der mexikanische Präsident Castaneda mimte in der Öffentlichkeit Neutralität. Sie war jedoch wenig glaubwürdig, da er gleichzeitig mit Millner vereinbarte, die Zahl britischer Soldaten zu erhöhen, die am bald beginnenden Manöver südlich der US-Grenze bei Texas teilnehmen würden. Präsidentin Adams hatte in den letzten Wochen einige Male mit Castaneda telefoniert. Wortreich hatte er ihr versichert, beim Zusammentreffen zwischen Manöver und Wahl handele es sich um einen reinen Zufall, die USA seien nach wie vor der wichtigste Partner Mexikos. Wenigstens hatte sie ihm das Zugeständnis abringen können, mit dem Manöver mindestens einhundert Meilen Abstand zur Grenze zu halten. Von handfesten Drohungen, nicht unüblich im Verhältnis zwischen den USA und Mexiko, wollte sie vorerst absehen.
Der schweizerische Bundesrat hatte sich auf ein striktes »Kein Kommentar« geeinigt und hielt dies auch durch. Bundespräsident Mattei hatte seine sechs Kollegen auf diese Haltung eingeschworen.
Der Gro
Weitere Kostenlose Bücher