EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung
ß teil der Journalisten auf der ganzen Welt war von der Situation überfordert. Hätten sie den Vorgang als Kampagne interpretiert, hätte dies zu viele Fragen über ihr Metier aufgeworfen. Also schrieben sie von Tag zu Tag, was in Texas passierte, ohne wirklich in die Tiefe zu gehen. Außerdem hatten Journalisten ein strukturelles Problem, das sie an seriöser Berichterstattung hinderte: Da es im Weltbild der meisten Massenmedien keine politischen Verschwörungen gab – sie waren irgendwann in den letzten Jahrzehnten ausgestorben – waren sie gezwungen, die Sezessionsbewegung als spontane Volkserhebung darzustellen.
Die Aktien- und Devisenmärkte schienen bereits darauf zu wetten, dass die Sezessionisten ihr Ziel erreichen würden. US-Aktien nicht-texanischer Unternehmen verloren ständig an Wert, ebenso der Dollar und US-Staatsanleihen. Hinter den Kulissen wurde dieser Prozess von der chinesischen Zentralbank unterstützt, die bereit war, den Wert ihrer eigenen Dollarreserven zu schmälern, wenn sie damit den USA einen strategischen Schlag versetzen konnte.
Der Papst rief bei seiner Mittwoch-Audienz zum Gebet für die Texaner auf; es möge ihnen göttliche Weisheit beim Umgang mit der aktuellen Krise geschenkt werden. Er verurteilte jegliche Gewalt.
In den USA waren die meisten Bürger außerhalb von Texas gegen die Sezession, weil sie um den Bestand des Landes fürchteten. Allerdings setzte sich die Meinung durch, dass es letztendlich die Entscheidung der Texaner sei. So gut wie niemand ergriff für Washington Position – zu gering war das Ansehen der Bundesinstitutionen. Ein paar zehntausend Amerikaner hatten allerdings bereits beschlossen, im Sezessionsfall ihre Zelte in den USA abzubrechen und in die Republik Texas zu ziehen. Das Census Bureau schätzte, dass langfristig insgesamt drei Millionen Texaner in die USA ziehen würden und fünf Millionen Amerikaner nach Texas, sollte die Sezession umgesetzt werden. Die Sezessionsthematik wurde in den Augen vieler Amerikaner durch die Existenz der Nordamerikanischen Union (NAU) entschärft, ein Zusammenschluss von Kanada, den USA und Mexiko. Präsidentin Adams hatte sich aber in einer Stellungnahme ausdrücklich gegen die Interpretation gewandt, es sei egal, ob die NAU aus Kanada, den USA und Mexiko bestehe, oder aus Kanada, den USA, Texas und Mexiko.
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Sonntag, 23. Oktober 2016
Nach der ersten Fernsehdebatte zwischen den drei Bewerbern um den Posten des Gouverneurs von Texas, Kenneth Henderson (REP), Frank Cooper (DEM) und Andrew Clark (TFP), war Clark in den Umfragen gut zwei Wochen vor der Wahl massiv abgerutscht. Er belegte nur noch den zweiten Platz, vier Punkte nach Henderson, der mit einundvierzig Prozent führte. In der Debatte hatte sich Clark zwar als charismatischster und wortgewandter Politiker darstellen können, aber Henderson hatte es geschafft, ihn immer wieder in die Ecke zu argumentieren. Geholfen hatte, dass zwei der drei Journalisten, die die Fragen stellten, Gegner der Sezession waren und die Diskussion wiederholt auf Schwachpunkte im Konzept der TFP lenkten. Trotz aller Bemühungen war es Texas-Times-Chefredakteur Luce Brencis nicht gelungen, in die Reihe der Fragesteller aufgenommen zu werden. Republikaner und Demokraten hatten gedroht, die Debatte platzen zu lassen, sollte Brencis anwesend sein.
Die sinkenden Umfragewerte der TFP sorgten für Entspannung in Washington. Der Generalstab beruhigte sich. Der Druck auf Präsidentin Adams nahm ab. Das Gespenst schien sich langsam in Luft aufzulösen. Nur David Isler, der eine weitere Woche Sinshys Rosen gepflegt hatte, ohne seinem Ziel näher gekommen zu sein, traute der Entwicklung nicht.
In dieser Lage begann Teil eins der letzten großen Offensive der Wahrnehmungsmanager. Die Sonntagsausgabe der Texas Times hatte es in sich.
Dokumente belegen: Es war Washington!
Von Luce Brencis. Kurz vor dem Wahltag wurden der Redaktion der Texas Times Dokumente zugespielt, die die Dynamik des Wahlkampfs noch einmal radikal ändern können. Die von Experten als ›sehr wahrscheinlich authentisch‹ beurteilten Dokumente belegen, dass sowohl der Generalstab wie auch die Präsidentin selbst ihre Zustimmung zum Test eines neuen Giftgases gegeben haben, das schließlich zum Tod von über 1300 Texanern in der nordtexanischen Stadt Sandrock geführt hat. Das am meisten belastende Dokument stammt von dem mit einem weltweiten Haftbefehl gesuchten ehemaligen Chef der
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