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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Hand.
    »Also, was soll ich machen? Dich kämmen?« Ich nicke. »Was hast du gesagt?«, fragt Gretchen.
    »Ja, würdest du mich bitte kämmen?«
    »Und was stellst du dir vor, wie soll es werden?«
    »Wie … na Zöpfe.«
    »Okay«, sagt sie und fängt an.
    »Wann fährst du?«, erkundige ich mich.
    »Was meinst du?«
    »Na ja, weil deine Eltern doch woanders hin müssen.«
    »Ich weiß es nicht.« Nein, aber lange wird es nicht mehr dauern. »Aber wir können uns schreiben«, sagt sie. Naiv.
    Die Fluktuation an der Schule ist enorm. Ich freunde mich mit jemandem an, dann ziehen sie weiter. Ich halte die Verbindung noch eine Weile aufrecht, doch dann versandet es. Und ich glaube … daran denke ich ständig … genauso ist es, wenn Leute sterben – es ist dasselbe. Es ist eine Art, damit zurechtzukommen. Sie sind tot. Ich habe kein Vertrauen, dass ich sie wiedersehen werde.
    »Samantha, lass uns in Kontakt bleiben.«
    »Ja«, sage ich. Sobald sie gefahren ist, ist sie tot. »Willst du nicht mal einen Freund, Gretchen? Ich könnte jemanden für dich finden.«
    »Nein, danke«, erwidert sie.
    »Wieso nicht?«
    »Jungs sind Schweine.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du fluchst.«
    »Ich fluche nicht.«
    »Was machst du dann?«
    »Ich sage nur, wie es ist.«
    »Hm.«
    »Ich will lieber lesen«, sagt Gretchen und fängt an zu flechten.
    Freiheit
    Nach vierzehn Tagen Gefängnis bin ich frei. Ich sehe mich sofort nach Panos um, der vor dem Kijana-Haus sitzt. Wir gehen spazieren und begegnen Sandeep, einem total Besessenen, der ständig lernt, weil er sich ein Stipendium in Europa oder den USA erhofft. Er sieht Panos nervös an.
    »Nur ruhig«, sagt Sandeep. »Kommt nicht wieder vor.«
    »Das will ich auch nicht hoffen, weder für dich noch für Mister Jones.«
    »Was ist passiert?«, frage ich Panos, als wir weitergehen. Mister Jones ist Sandeeps Katze, Sally hat ihm die Erlaubnis gegeben, sie auf dem Zimmer zu halten.
    »Das Mistvieh hat vorgestern in mein Bett gepisst.« Ich schaue ihn an und warte. »Na ja, ich habe ihm gedroht, die Katze umzubringen.«
    »Lass uns zum Fluss gehen«, schlage ich vor.
    »Warum?«
    »Verdammt, um zu rauchen!«
    »Klar.« Wir gehen den Fluss entlang und kriechen die Böschung hinunter, bis wir außer Sicht sind – abgesehen von den Jungen, die ihre Ziegenherden hüten und auf der Suche nach ein wenig trockenem Gras sind.
    »Wir könnten schwimmen gehen«, sage ich. »Dort, wo das Wasser über die Felsen fließt, auf der anderen Seite muss es ziemlich tief sein.«
    »Und uns dann totscheißen? Das Wasser ist voller Nilwürmer, ich bin dort letztes Jahr mal geschwommen.«
    »Und, bist du krank geworden?«
    »Vier Kilo habe ich abgenommen, ausgeschissen!«
    Wir zünden die Zigaretten an, rauchen wortlos. Ich schaue vor mich hin, kenne ihn zu gut. Er will etwas sagen, kann es aber nicht.
    »Was willst du mir sagen?«, frage ich. Panos wendet mir den Kopf zu und sieht mich an, dann schaut er wieder geradeaus, zieht fest an seiner Zigarette, seufzt und stößt den Rauch aus.
    »Truddi«, sagt er. Ich begreife nicht, wie er dieses Gör anziehend finden kann.
    »Frag sie einfach.«
    »Das ist leicht gesagt. Und wenn sie nein sagt?«
    »Dann ist es überstanden. Ich kann sie ja für dich fragen.« Wir müssen beide lachen.
    »Ja, dann sagt sie ganz bestimmt nein«, meint Panos. Wir gehen zu Mboyas duka , um Limonade zu kaufen. Christian fährt mit seinem Motorrad auf uns zu.
    »Ich dachte, das Motorrad ist verboten?«, wundere ich mich.
    Christian zeigt auf die Erde: »Ist das hier die Schule? Nein, das ist ein privates Geschäftsgrundstück.« Er zeigt auf die Straße: »Und dies eine öffentliche Straße. Nicht Owens Straße.«
    Mister Jones
    Die Schneekappe des Kibo leuchtet weiß gegen den schmutzigblauen Himmel. Ich bleibe bei dem Anblick stehen, schaue hinauf. Aus der Entfernung wirkt der Berg diffus, weil so viel Staub in der Luft ist. Ein Scheißberg. Und ich stehe hier – ein Mädchen, das nichts weiß. Das herumgeschubst wird. Ich gehe in Richtung Kijana, um Panos zu finden. Vor dem Eingang sitzen ein paar Schüler auf der Bank an der Ecke des viereckigen Gebäudes, in dem die Internatsschüler der neunten und zehnten Klasse wohnen. Mitten auf dem Hof steht Philippo, einer der Gärtner, und mäht Gras mit einem slasher, einem drei Zentimeter breiten und einem Meter langen Flacheisen, dessen unterste zehn Zentimeter in einem stumpfen Winkel gebogen und geschliffen sind. Er hält den

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