Exil
eine«, antwortet Victor.
Angela huscht in ihrem kleinen Bikini im Becken umher. Sie schwimmt auf Victor zu und bittet ihn, sie in die Luft zu werfen.
»Willst du auch mal, Samantha?«, fragt er.
»Nein, danke. Ich will schwimmen.« Angela tut so, als hätte sie Wasser geschluckt, und wirft sich Victor stöhnend an den Hals. Ich bin sicher, dass sie es darauf ankommen lassen würde. Victor befreit sich aus Angelas Armen.
»Ich will auch ein paar Bahnen schwimmen«, sagt er und schwimmt parallel mit mir durchs Becken. Angela versucht es ebenfalls, allerdings kann sie nicht mithalten. Schmollend steigt sie aus dem Wasser und setzt sich auf einen Liegestuhl.
»Was hältst du davon, zwei Bahnen um die Wette zu schwimmen?«, schlägt Victor vor.
»Zehn«, erwidere ich.
»Okay.« Wir fangen an. Ich schwimme schräg hinter ihm, so dass er mich ständig am Rand seines Gesichtsfelds sehen kann, und setze ihn bis zur letzten Wende unter Druck. Dann ziehe ich an ihm vorbei ins Ziel. Er nickt.
»Flott«, sagt er.
»Am längsten unter Wasser?«, frage ich.
»Auf Zeit?«
»Nein, auf Distanz.« Wir machen es. Ich schwimme vierundfünfzig Meter, Victor fünfundzwanzig.
»Wow, du bist richtig gut im Wasser«, sagt er anerkennend. Wir stehen auf der flachen Seite. Angela ist gegangen. »Was ist mir ihr?«, will Victor wissen.
»Ach, sie ist bloß sauer.«
»Sie wirkt ein bisschen hysterisch.«
»Ist sie auch«, erwidere ich und schwimme vor ihm auf die Leiter zu. Er ist unmittelbar hinter mir, als ich hinaufsteige, er muss direkt auf meinen Arsch starren. Seine Hand greift zu und fasst mir an den Oberschenkel. Was macht er? Ich halte inne und drehe mich um.
»Sie sind stark«, sagt er und lässt meinen Schenkel los, lächelt zu mir hinauf. Findet er mich attraktiv? Soll ich etwas sagen?
»Da hast du wohl Recht«, sage ich und steige aus dem Becken. Wir reden ja nur über Muskeln. Er könnte mein Vater sein, wenn er früh angefangen hätte. Aber er hat mich angefasst. Vielleicht ist er scharf auf mich? Er sieht mich von oben bis unten an, als wir zum Arusha Game Sanctuary zurückgehen, und ich kann es nicht lassen und wippe mit dem Hinterteil, obwohl ich auch rot werde. Aber das ist in der Dämmerung nicht zu erkennen. Wie es wohl ist, etwas mit einem erwachsenen Mann anzufangen? Als ich ins Zimmer komme, betrachte ich mich im Spiegel, posiere. Ich bin attraktiv.
Durst
Wir essen mit Vater zu Abend. Er und Victor wollen am nächsten Morgen zu den großen Seen. Später sitze ich mit Vater und Victor auf der Terrasse. Sie trinken Bier, ich trinke Cola und nehme einen Schluck aus Vaters Glas.
»Stopp!«, bremst er mich. »Läuft’s gut in der Schule?«
»Alles bestens. Habt ihr von Alison gehört?«
»Deine Mutter hat mit ihr gesprochen, ihr geht es gut«, antwortet Vater und leert sein Glas. Er steht auf. »Ich muss mal das Wasser abschütten.« Ich blicke auf Victors Glas.
»Nimm einen Schluck«, fordert er mich auf. Ich trinke es aus. »Durstiges Mädchen«, sagt er. »Zigarette?«
»Ja.« Ich bekomme eine seiner Marlboros. Er gibt mir Feuer. Vater kommt mit frischem Bier zurück.
Nachts träume ich von Victor. Als ich am nächsten Morgen aufstehe, sind sie bereits aufgebrochen. Angela ist nach Arusha gefahren, ohne zu fragen, ob ich mit will. Aber am Vormittag kommt Sofie von der Mountain Lodge vorbei. Sie bringt eine Gruppe Japaner mit, deren Tagesprogramm darin besteht, im Tanzanite zu schwimmen und sich im Arusha Game Sanctuary die Tiere anzusehen.
»Samantha«, sagt sie und umarmt mich. »Ich wusste nicht, dass du hier bist.«
»Ich wollte dich auch noch besuchen.«
»Wo ist denn Angela?«
»Keine Ahnung.«
»Du fährst heute mit mir zurück«, erklärt Sofie. »Du kannst bei uns bleiben, bis du wieder zur Schule musst.«
»Sehr gern.« Sofie ist halbe Grönländerin und halbe Dänin. Sie hat mit Micks älterem Halbbruder Pierre einen viereinhalbjährigen Sohn, der Anton heißt.
Ich kenne die Familie schon, solange ich denken kann. Manchmal habe ich mit Alison die Wochenenden bei ihnen verbracht, als wir noch in Arusha zur Schule gingen. Die Mountain Lodge ist ein angenehmer Ort.
Am späten Nachmittag fahren wir mit einem Land Rover voller zwitschernder Japaner zurück. Die Männer rauchen Kette, und die Frauen sind nett und eigenartig; sie kichern und lächeln und schenken mir ständig japanische Süßigkeiten in knallbuntem Papier.
Das Feld mit den Kaffeesträuchern vor dem Hauptgebäude ist nur
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