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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Seitenstraße; die Chance, hier auf einen Lehrer zu stoßen, ist gering.
    »Kann ich bei dir zu Hause mal telefonieren?«, frage ich.
    »Ja, natürlich«, antwortet er und fährt heim.
    Als wir absteigen, erkundige ich mich, ob jemand zu Hause ist.
    »Der Alte ist bei der Arbeit.«
    »Ist deine Mutter noch immer bei … diesem Farmer am West-Kilimandscharo?«
    »Sie ist vor ein paar Tagen geflogen«, sagt er und wendet den Blick ab.
    »Von hier?«
    »Nach Europa.«
    »Aber was ist mit …«, setze ich an und unterbreche mich, weil ich nicht weiß, was ich ihn eigentlich fragen will.
    »Ich weiß es nicht«, sagt Christian und schließt die Tür auf. »Dort ist das Telefon.« Er geht in die Küche und öffnet den Kühlschrank, schließt ihn wieder, wendet mir den Rücken zu und starrt aus dem Fenster. Ich versuche, Alisons Nummer in England anzurufen, und bekomme auch schnell eine Verbindung, aber niemand nimmt den Hörer ab. Wir fahren zum Moshi Club und setzen uns auf die breite überdachte Veranda, die am Klubhaus entlangläuft. Wir sind noch nicht alt genug, um an der Bar zu sitzen. Ursprünglich ist es ein alter englischer Klub aus der Kolonialzeit, jetzt kommen indische Geschäftsleute hierher, korrupte tansanische höhere Beamte und Politiker sowie eine Menge europäischer Berater und deren rotznäsiger Anhang.
    »Bier?«, fragt mich Christian.
    »Ja, klar. Aber auch eine Cola.« Er holt beides.
    »Vielleicht sollten wir uns in den Billardraum setzen«, schlägt er vor. »Es könnte ein Lehrer auftauchen. Owen spielt Golf hier. Die Inder laden ihn ein, um sich in Erinnerung zu bringen, wenn an der Schule ein Bauprojekt geplant wird.«
    »Nein, wir bleiben hier sitzen«, entscheide ich, verteile eine Bierflasche auf die beiden Gläser und gieße einen Schuss Cola dazu, damit das Bier dessen Farbe annimmt. Dann trage ich meine leere Bierflasche an die Bar und arrangiere die Dinge auf dem Tisch so, dass Christian vor einer Bierflasche sitzt und ich vor der Cola.
    »Smart«, kommentiert Christian.
    »Prost!«, erwidere ich. Er zündet eine Zigarette an und lässt mich mitrauchen. Wir reden über Fahrerflüchtige; so nennen wir die Lehrer, die in Europa oder den USA keine Arbeit mehr finden.
    Dann kommen sie hierher und ärgern uns, finden aber ziemlich schnell heraus, dass sie bei diesem Gehalt nicht fett werden können. Und nach kurzer Zeit sind sie wieder verschwunden, und wir bekommen einen neuen Fahrerflüchtigen.
    »Gib mir die Zigarette«, sagt Christian und weist mit einer Kopfbewegung zum Golfplatz. Owen kommt, dahinter der Caddie, der den Golf-Trolley zieht. Owen bezahlt den Jungen und zieht den Trolley das letzte Stück auf der Rampe zur Veranda selbst. Seine Sportschuhe klacken auf dem Beton, als er auf uns zukommt.
    »Na, hat er Ihre Bälle geklaut?«, fragt Christian.
    »Oder haben Sie sie nur verloren?«, füge ich hinzu.
    »Samantha. Christian.« Owen nickt uns zu. Greift nach meinem Glas, sieht es sich an. »Okay«, sagt er. »Ich wollte nur mal sehen, Samantha.«
    »Sehen Sie ruhig nach«, sage ich, nehme ihm das Glas aus der Hand und trinke. Owen sieht Christian an.
    »Weiß dein Vater, dass du hier sitzt und Bier trinkst?«
    »Ja«, behauptet Christian.
    »Hm«, brummt Owen und verschwindet im Umkleideraum.
    »Eine scharfe Nummer«, sagt Christian.
    »Einer der Tricks meiner Mutter beim Mittagessen.«
    Christian fährt mich zurück zur Schule, er muss zum Fußballtraining. Zwischen uns ist nichts. Ich glaube, er ist mit diesem neuen Mädchen aus Island zusammen, sie heißt Sif und sieht ein bisschen fade aus.
    »Na, ist sie willig, dein kleines Mädchen?«, frage ich ihn auf dem Parkplatz.
    »Von wem redest du?«
    »Von Sif. Taugt sie was?«
    »Das wüsstest du wohl gern?«
    »Na ja, mit mir redet sie ja nicht. Vielleicht glaubt sie, ich wär hinter dir her.«
    »Sif ist okay.«
    »Sie macht wohl alles, worum du sie bittest?«
    »Ich zwinge sie jedenfalls zu nichts.«
    »Der Ruf des Fleisches«, erwidere ich und drehe mich um, damit er mein Gesicht nicht sieht. Er sieht nur meinen Arsch, mit dem ich wackele. Der ist besser als Sifs.
    Pervers
    Mama Kalimba hat Malaria, daher bekommen wir so eine kleine französische Zecke als Aushilfe: Voeckler. Ein Schleimer. Nicht sehr groß. Wenn er etwas erklärt, beugt er sich von hinten über uns und berührt uns. Für die indischen Mädchen ist es grässlich, aber sie wagen nicht, sich zu beschweren. Blitzschnell hören alle auf, um Hilfe zu bitten.

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